13. Oktober

Von A wie Anpatzen bis Z wie Zukunftsvergessen

Guten Morgen. Zur Elefantenrunde fällt mir partout nichts mehr ein. Stattdessen zum Wahlkampfausklang ein bierernstes ABC...

A wie Anpatzen. Die typische österreichische Verniedlichung des Negative Campaignings war der meist zu hörende gegenseitige Vorwurf diverser Spitzenkandidaten. Aber nur, weil man ein Glaskinn hat, bedeutet das nicht, dass die anderen nicht hinter einem her sind.

B wie Bewegung. Sebastian Kurz baute die stets zerstrittene und radikal föderal organisierte ÖVP in eine türkise Bewegung um, die bis heute tatsächlich nur ihm folgt. Gegner unterstellten ihm daher diktatorische Züge. Ich hätte mir allgemein mehr Schadenfreude gegenüber den ÖVP-Granden erwartet.

C wie CEO. Christian Kern ist der erste klassenkämpferische CEO des Landes. Das geht sich naturgemäß nur schwer aus, dabei dachte und sprach er noch vor seiner Kür zum Parteichef sehr viel deutlicher wirtschaftsfreundlich – und konnte dann SPÖ und Regierung eben nicht wie die ÖBB führen.

D wie Dirty Campaining. Tal Silberstein zeigte schon mehre Male, wie das effizient geht. Diesmal gelang ihm das Gegenteil. 

E wie Ex-Kanzler. Christian Kern sieht sich als Erfolgsprodukt der Ära Kreisky, verehrt Franz Vranitzky, der im Wahlkampf seinen 80. Geburtstag feierte und von der Notwendigkeit sprach, die SPÖ neu aufzustellen.  Alfred Gusenbauer empfahl dem Vernehmen nach seinem Nachnachfolger, Tal Silberstein zu engagieren und wurde dafür prompt zum Feindbild nicht weniger Linker – auch wegen seinen guten Geschäften. Kern nannte Wolfgang Schüssel als Sebastian-Kurz-Mentor, um das Gespenst Schwarz-Blau zu beschwören. Er hätte besser recherchieren sollen, Erwin Pröll zu nennen, wäre mindestens so publikumswirksam gewesen. Und richtig. Werner Faymann lacht sich vermutlich ins Fäustchen.

F wie Fernsehduelle Die Spitzenkandidaten haben aus dem Präsidentschaftswahlkampf  nichts gelernt und sich auf TV-Konfrontationen und Auftritten auf allen Kanälen eingelassen. Augenringe, Gereiztheit und das immer wiederkehrende Gefühl von Dauerwerbesendungen waren die Folge. Die Elefantenrunde war die mit Abstand langweiligste TV-Partie, der Sekundenschlaf übermannte sogar Matthias Strolz. Aber nennen wir die Runde einfach „sachpolitisch“.

G wie Griss. Die eiserne Kandidatin für Präsidentschaft, Parteien, Nationalrat und überhaupt alles erwies sich dann doch nicht als das entscheidende Zugpferd für die Neos. Das besorgte schon der gut aufgezogene und geölte alte Politik-Hase Matthias Strolz. Wetten, dass Irmgard Griss bei den Neos noch aneckt? 

H wie Holen Sie sich, was Ihnen zusteht. Es ist nicht ganz klar, ob dieser Spruch von Tal Silberstein stammt und schlecht übersetzt wurde oder ob es ein Slogan ist, den Georg Niedermühlbichler gegen Silberstein erfunden hat. (Angeblich war „Es ist Zeit“ geplant, der Spruch wurde aber der ÖVP zugespielt, die ihn dann verwendete.) In Wahrheit wurde der hohle Holen-Spruch von einem ÖVP-Maulwurf im SPÖ-Team erfunden, um Unternehmer und Kurz-Anhänger zu mobilisieren.

I wie Inhalte. Das war ein Witz.

J wie Jamaika Die einzige Möglichkeit von Angela Merkel (mit Grünen und Liberalen) heißt auf Österreich umgelegt Dirndl-Koalition: In Wien-Josefstadt und Mariahilf mögen manche davon träumen, sie ist so realistisch wie eine FPÖ-Minderheitsregierung.

K wie Kriterienkatalog Christian Kern wollte schlau sein und das Thema Rot-Blau in eine Projektgruppe und einen Entscheidungskorridor wegspielen, aber wurde es dennoch nicht los. Seine Alternativen sind bescheiden: Mit der ÖVP will er eigentlich ebenso wenig wie mit der FPÖ. Aber Kanzler bleiben. Schwierig.

L wie Liste Pilz Was den politischen Gegnern nie gelang, schaffte Peter Pilz im Handumdrehen. Weil Pilz keinen guten Listenplatz schaffte, spaltete er die Grünen und tritt mit durchaus interessanten Kandidaten an. Und nun droht den Grünen der Rauswurf aus dem Nationalrat.

M wie Maulwurf. Die SPÖ suchte einen solchen der ÖVP in den eigenen Reihen, fand ihn bisher nicht, aber vielleicht war er unter den Zurückgetretenen,  Karenzierten oder aus persönlichen Grünen Gegangenen. Wir werden es nie erfahren.

N wie Niedermühlbichler. Wirklich verständlich war die Strategie des SPÖ-Bundesgeschäftsführers nie, das dachten sich auch Tal Silberstein und Christian Kern. Silberstein sagte das auch mehrmals laut und deutlich, aber immerhin ohne Handgreiflichkeiten. Als dann Silberstein gehen musste und später klar wurde, dass dessen Mitarbeiter weiter gegen Kurz gearbeitet hatte, war es auch ganz logisch, dass Niedermühlbichler gehen musste.

O wie Opposition. Eigentlich wollte den Job keiner mehr, die FPÖ hat sich bereits davon verabschiedet und übt den Juniorpartner für den, der mehr bietet. Die Neos träumen und die Grünen träumten von einer Ampel-Dirndl-Koalition. Nur Pilz weiß, dass die Opposition am bequemsten ist.

Ö wie Österreich. Gute Idee, falscher Zeitpunkt. Christian Kern fühlt sich von Wolfgang Fellners "Österreich" zu Recht verfolgt und verknüpft damit zu Unrecht die Inseratenvergabe einer Partei, die Förderung durch die Steuerzahler bekommt.  Aber weniger Geld für den Boulevard wäre ein Ansatz. Seit Jahrzehnten.

P wie Prinzessin. Gemeine Bezeichnung eines Ex-Mitarbeiters von Alfred Gusenbauer, die in einer internen Analyse über Kern verwendet wurde. Am Sonntag hilft das Role Model Prinzessin aber vielleicht: Hinfallen, aufstehen, Krone richten, schnell weiter gehen. 

Q wie Quereinsteiger. Nur Heinz-Christian Strache ist keiner. Ulrike Lunacek ist EU-Vizepräsidentin, Mathias Strolz Mental-Coach einer Partei, Sebastian Kurz, Listenführer, der die ÖVP gerade feindlich übernommen hat, Peter Pilz kommt von den Grünen, Christian Kern war vor der Kanzler-Rolle als ÖBB-Chef tätig. Dort war er glücklich.

R wie Rot-Blau. Würde es eigentlich Donnerstagsdemos gegen Rot-Blau geben; würden aufgebrachte bürgerliche Wut-Mädchen  ihre Perlenketten, ihre bärtigen Neos-Männer ihre roten Jeans in Richtung Kanzleramt werfen? Nein, aber begeistern würde die Kombination nicht wirklich. Schwarz-Blau dürfte aber auch nicht zu flächendeckender Euphorie führen.

S wie Silberstein. Kurzes Gedankenexperiment: Wäre der Kern-Berater ein Deutscher namens Maier, würden wir dann auch vom „Fall Maier“ reden. Oder vielleicht nicht doch vom Fall Kern oder Fall SPÖ? Nein, die Geschichte vom jüdischen Unhold, der weltweit Politiker manipuliert, hilft der SPÖ, die Opferrolle einzunehmen -  der Bösewicht heißt Silberstein. Oder eben Kurz.

T wie Türkis. So hat das Erhard Busek mit den Bunten Vögeln nicht gemeint, nach seinen politischen Magenta-Enkeln zaubert nun Kurz in Türkis. Was kommt als nächstes, lila statt rot?

U wie Umfragen. Die waren in den vergangenen Wahlgängen mehrheitlich falsch oder unpräzise, die Meinungsforscher erklärten uns dann, wir hätten sie nur nicht verstanden. Diesmal klingen sie verdächtig einheitlich. Aber immerhin macht es die SPÖ spannend.

V wie Van der Bellen. Der Bundespräsident würde im Fall eines FPÖ-Wahlsieges dem Vernehmen nach in das Land seiner Eltern, ins schöne Estland heimkehren. Vor der Regierungsauftragsvergabe und möglicher Angelobung. So gesehen hofft Van der Bellen auf Kurz. Zweite Angst: Kurz gibt das Außenministerium auf und Norbert Hofer kommt. Der würde dann Van der Bellen auf allen Reisen begleiten. Höchststrafe. Für beide.

W wie Westbalkanroute. Was hat Kurz bitte schön geritten, in der ORF-Elefantenrunde nicht die Schließung der Westbalkanroute zu erwähnen?

X wie XXXLutz. Es gibt tatsächlich noch gute Werbung in Österreich. Demners Kreativwerkstatt lieferte den musikalischen Puppen-Frohsinn einer Dauer-Möbel-Elefantenrunde.

Y wie Yuck!

Z wie Zukunftsvergessen. Was Kern in einer seiner berühmten und wirklich guten Reden nie wollte: Machtversessen und zukunftsvergessen. Wirkte leider so, so mancher Wahlkampf.

Schönes Wochenende, gute Wahl, wir lesen uns am Montag. 

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