Was die Wahl bedeuten kann.

Arbeit, Jobs schaffen, Kinder haben – und dann?

Helga Matthey war eigentlich ihr Leben lang Köchin in ihrem Wirtshaus in Bad Ischl.
Helga Matthey war eigentlich ihr Leben lang Köchin in ihrem Wirtshaus in Bad Ischl. (c) Akos Burg
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Pension. Helga Matthey hat ein Leben lang in ihrem Wirtshaus gearbeitet und dazu zwei Kinder fast allein großgezogen. Schwere Krankheit zwang sie, ihren Betrieb zu schließen. Sie bestreitet ihr Leben nun mit 798 Euro Invalidenpension.

Wien. Helga Matthey (59) hat sich im wahrsten Sinne des Wortes kaputtgearbeitet. Von klein auf hat sie in dem Wirtshaus ihrer Eltern mitgearbeitet. Später hat sie das Ischler Bräu in Bad Ischl (Oberösterreich) übernommen. Sie stand für Jahrzehnte beinahe jeden Tag in der Küche. Außer an Montagen, da war Ruhetag. Nebenbei brachte sie noch drei Kinder auf die Welt. Eines davon starb, die beiden Mädchen zog sie weitgehend allein groß.

Die Belastung war für ihren Körper irgendwann zu viel. Anfang 50 hatte sie den ersten Bandscheibenvorfall, bald darauf den nächsten. Es folgte eine erste schwere Operation, die nicht das gewünschte Ergebnis brachte. Zu den Rückenproblemen kamen irgendwann ein Brusttumor und später ein Miniskusriss. Für Matthey wirtschaftlich eine Katastrophe. Ihr einziger Koch – nämlich sie selbst – fiel immer wieder für Wochen aus. Nur phasenweise bekam sie Ersatz. Bereits 2011 wurde ihr offiziell die Erwerbsunfähigkeit zuerkannt – sie arbeitete aber weiter, bis sie 2015 schließlich zusammenbrach und das Gasthaus für immer schloss.

Weil das Wirtshaus nach Renovierungsarbeiten mit Schulden belastet war, verlor sie ihre Eigentumswohnung an die Bank. Das Wirtshaus gehört ihr immer noch, aber bisher fand sich kein Pächter – was nichts daran ändert, dass die Betriebskosten weiterlaufen und sie diese bezahlen muss.

Versicherungsmonate fehlen

Mattheys Invalidenpension beträgt 798 Euro brutto monatlich. Eine Aufstockung auf die Mindestsicherung bekommt sie nicht, weil das Gasthaus noch in ihrem Besitz ist. Die Ausgleichszulage auf 1000 Euro, die es seit Beginn dieses Jahres für all jene gibt, die 30 Jahre gearbeitet haben, bekommt sie auch nicht. Obwohl sie ihr Leben lang im Ischler Bräu gearbeitet hat, hat sie zu wenig Versicherungsmonate: „Wie es eben in einem Familienbetrieb so ist, da ist man nicht immer angestellt, sondern arbeitet einfach. Und dann fehlen mir auch die Kinderbetreuungszeiten“, sagt Matthey. Nach dem Tod ihres ersten Kindes sei sie länger nicht arbeiten gegangen. „Ich wünsche mir von der Politik, dass sie auch auf Kleine wie mich schaut, die ihr Leben lang gearbeitet haben, Kinder großgezogen haben. Und auch ein paar Arbeitsplätze geschaffen haben“, sagt sie.

Sollte es eine rot-blaue Koalition geben, könnten Matthey zumindest ein paar Monate mehr an Kindererziehungszeiten angerechnet werden – zumindest versprechen sowohl SPÖ wie FPÖ das in ihren Wahlprogrammen, eben damit auch Frauen auf die nötigen 30 Beitragsjahre kommen. Momentan sind zwei Drittel jener, die eine Ausgleichszulage kassieren, Frauen. Die FPÖ will dazu die Mindestpension bei 40 Beitragsjahren auf 1200 erhöhen. Außerdem soll gegen Frühpensionierungen vorgegangen werden und der faktische Pensionsantritt an den gesetzlichen angepasst werden. Das will auch die ÖVP. Außerdem sollen Privilegien, wie es sie bei öffentlichen Stellen oder staatsnahen Betrieben gibt, abgeschafft werden. Dazu will die Partei von Sebastian Kurz jene belohnen, die länger arbeiten gehen, als sie müssten. Für alle, die bis 68 arbeiten gehen, soll es einen Pensionszuschlag geben.

Auch die Neos wollen Pensionsprivilegien abschaffen und schlagen ein einheitliches Pensionskonto vor. Die Grünen wollen überhaupt eine Grundpension, die durch Beiträge aus den Berufsjahren aufgestockt werden soll.

Beruf und Familie

Matthey erzählt, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oft schwierig gewesen sei. „Für mich, aber auch für die Frauen, die ich einstellen wollte. Als Kellnerin hat man eben Schichtdienst. Es wäre schon gut, wenn die meisten Kindergärten auf dem Land nicht schon mittags oder am frühen Nachmittag wieder schließen“, sagt sie. SPÖ und Grüne wollen einen Rechtsanspruch auf ganztägige Kinderbetreuung. Die ÖVP setzt auf flexiblere Öffnungszeiten von Kindergärten, und die FPÖ will Kinderbetreuungsplätze ausbauen und Tagesmütter fördern.

Auch für Alleinerzieherinnen, wie es Matthey war, gibt es Vorschläge. Von rund 180.000 Ein-Eltern-Familien ist dieser Elternteil in etwa 160.000 Fällen eine Frau. Laut Sozialerhebungen sind fast 40 Prozent armutsgefährdet. Die SPÖ stellt sich eine Unterhaltsgarantie vor – also, dass der Staat in Härtefällen einspringt. Die Garantie soll an die Familienbeihilfe gekoppelt sein, sodass auch jene, die über 18 sind, die Beihilfe bekommen.

Die ÖVP will Kinderboni verteilen, die Paaren wie Alleinerziehern zugutekommen sollen. Die Grünen wollen die vielen Benachteiligungen, die Alleinerziehende gegenüber Familien haben – auch steuerlicher Natur – abschaffen.

Eine bessere soziale Absicherung soll es auch für kleine Betriebe geben, wie Mattheys Gasthaus eines war. Die Grünen schlagen vor, den Selbstbehalt von 20 Prozent bei einem Arztbesuch abzuschaffen. Ein Krankengeld soll es schon ab dem vierten statt dem 43. Tag geben. Ähnliche Vorstellungen hat die SPÖ: Selbstständige zahlen den gleichen Krankenversicherungsbeitrag wie Unselbstständige (7,65 Prozent), sind aber schlechter abgesichert. Auch die Roten wollen den Selbstbehalt streichen und ein Krankengeld ab dem vierten Tag.

Die ÖVP will überbordende Bürokratie abschaffen, die vor allem für kleine Betriebe oft eine große Belastung darstellt – das unterstützt auch die FPÖ. Damit kleine Betriebe mehr Kapital anhäufen können, will die ÖVP eine unkomplizierte Form der Mitarbeiterbeteiligung einführen.

Matthey ist aber skeptisch, ob von den vielen Versprechen wirklich einige erfüllt werden: „Ich habe schon so viele Versprechen von Politikern gehört.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2017)

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