Ethisches Investment: „Dem Geld ein Mascherl geben“

(c) Michaela Bruckberger
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Ethisches Investment ist noch ein winziger Nischenmarkt, der aber schnell wächst. Der Schlüssel liegt bei den Anlegern – die ihr gutes Investorengewissen derzeit aber oft noch mit Renditeverzicht erkaufen.

„Die Presse“: Wir reden hier über Ethik und Geldanlage – ist das nicht ein Widerspruch in sich?

Peter Püspök: Ich mache die Beobachtung, dass der Umgang mit Geld wenig reflektiert ist. Die Leute haben nur zwei Ziele: möglichst viel Ertrag und möglichst viel Sicherheit. Was aber mit dem Geld passiert, ob es auch ethisch verwendet wird, ist nie Diskussionspunkt. Es kommt kaum jemand in eine Bank und fragt, was mit seinem Geld passiert.

Trotzdem wächst das Segment der ethischen Geldanlage stark. Kann man ethisches Investieren schon verkaufen?

Thomas Bobeck: Es ist noch keine Mehrheit, die das verlangt...

Püspök: ...sondern eine verschwindend kleine Minderheit. Ich bin sehr enttäuscht, dass sich die Menschen zu dem Thema so schwer ansprechen lassen. Und wenn, dann eher defensiv. Man möchte ein sauberes Gewissen haben, ist aber nicht primär daran interessiert, sein Geld dorthin zu leiten, wo es etwas bewirkt.

Hauptmotive sind also auch bei der ethischen Geldanlage Sicherheit und Rendite?

Klaus Gabriel: Ja, das ist aber aus der ethischen Perspektive zu wenig. Ethik bedeutet auch, dass ich mich in einen Prozess einbringe und versuche, etwas zu verbessern, das nicht in Ordnung ist. Dass man versucht, mit der Macht seines Kapitals auf wirtschaftliche Entscheidungen Einfluss zu nehmen.

Sollen sich die Banken in diesem Bereich mehr engagieren?

Gabriel: Derzeit ist es so, dass die Kunden über ethisches Investment oft besser informiert sind als die Bankberater.

Püspök: Das ist ja auch ein technisches Problem. Bei geringer Nachfrage zahlt es sich für eine Bank nicht aus, Berater extra zu schulen. Wir reden hier von einem Anteil von unter einem Prozent an der Nachfrage.

Einen Markt kann man aber auch schaffen.

Püspök: Man könnte beispielsweise mit Gütesiegeln arbeiten, wie etwa bei Fairtrade. Aber man soll sich keinen Illusionen hingeben: Beim Geld wollen die meisten Menschen das Maximum herausholen. Wir sollten zuerst jene ansprechen, die bewusst Renditeverzicht üben wollen. Das sind aber noch sehr wenige.


Wo liegt denn das Problem aus der Sicht des Fondsmanagers?

Bobeck: Sobald man sich in riskanteren Assetklassen bewegt, braucht man eine längerfristige Perspektive. Wir brauchen vom Kunden, der kurzfristige Ergebnisse sehen will, die Bereitschaft, diesen Weg mitzugehen. Ein Segment, in dem man in dieser Richtung mehr machen kann, sind die institutionellen Anleger. Es gibt ja viele Institutionelle, die einen sehr langen Investmentzeitraum haben, etwa Pensionskassen.

Püspök: Ich sehe auch eine gewisse Hoffnung für mehr ethisches Investment bei Institutionen. Der Druck muss aber von unten kommen. Die Leute müssen wollen, dass ihr Pensionsfonds ethisch veranlagt.

Unternehmen könnten ethische Investmentgesichtspunkte ja auch zum Teil ihrer PR-Strategie machen. Wäre das sinnvoll?

Püspök: Natürlich, das ist ja nicht schlecht, wenn das Resultat stimmt.

Gabriel: Man sollte das Bewusstsein in der Bevölkerung nicht unterschätzen. Alle Menschen, die in diesem Bereich tätig sind, bestätigen mir, dass das Interesse an nachhaltigen Investments in der Krise enorm gewachsen ist.


Auf Rendite wollen die meisten Menschen aber trotzdem nicht verzichten.

Püspök: Derzeit sind wir in einer Phase der Überraschung, Ratlosigkeit und Resignation. Wir sehen überall, dass die Systeme des 19. Jahrhunderts scheitern, aber es fehlt uns noch die positive Perspektive. Um Alternativen zu den bisherigen Prioritäten Wachstum und materiellen Zuwachs zu entwickeln, stehen die Menschen noch zu sehr unter Schock.

Was kann der Einzelne denn tun, um ethische Gesichtspunkte ins System zu bringen?

Gabriel: Indem er sich beispielsweise die Frage stellt: Soll ich eine Blase mitproduzieren, indem ich mit Devisen handle?

Püspök: Sie nehmen aber auch an einer Spekulation teil, wenn Sie eine Spareinlage machen.

Gabriel: Nicht immer. Es gibt auch schon Anbieter von Sparprodukten, bei denen man mitbestimmen kann, wie das Geld angelegt wird.

Püspök: Das ist aber eine verschwindend kleine Minderheit.

Lässt sich das nicht ausbauen?

Püspök: Es geht darum, dem Geld ein Mascherl zu geben, indem man sagt, was mit seiner Einlage geschehen soll. Die Kontrolle ist da wegen der Vielzahl der Geschäftsvorgänge aber schwierig. Einfacher geht es etwa beim Kauf von Einzelaktien. Da gebe ich mein Geld bewusst einem ganz bestimmten Unternehmen.

Wird der Aufwand für die Banken nicht ein wenig hoch, wenn effizient kontrolliert werden soll?

Püspök: Die Banken machen alles, was der Konsument will. Von oben werden wir das nicht verändern, das liegt in der Macht des Konsumenten. Das Problem ist, dass das politisch von einer relativ breiten Mehrheit getragen werden muss. Das scheint mir noch nicht so weit zu sein. Die Gretchenfrage wäre ja: Sind Sie bereit, in der Pensionskasse auf ein, zwei Prozent Rendite zu verzichten, wenn ethisch veranlagt wird? Diese Frage möchte ich heute noch nicht stellen.

Sollte der Staat regulatorisch ein wenig nachhelfen?

Bobeck: Bei komplexen Themen, und das ist ethisches Investment, sollte man mit dem Ruf nach Regulierung sehr vorsichtig sein. Regulierung erzeugt nicht immer das Umfeld, das man damit anstrebt, und das Gegenteil von gut ist oft gut gemeint. Wir sollten hier wirklich an die Eigenverantwortung der Menschen appellieren.

Gabriel: Richtig, man ist als Person aufgerufen, richtige Entscheidungen zu treffen.Man könnte dem derzeit kleinen Nischenmarkt aber sehr wohl eine Initialzündung durch Regulatorien geben. Indem man etwa Zuschüsse an Pensionskassen an nachhaltige Investmentstrategien bindet. Dort, wo das gemacht wird, etwa in England, merkt man, dass der Markt deutliche Impulse bekommt.

Ein klassisches ethisches Investment ist die Investition in Mikrokredite, wie läuft denn dieses Geschäft?

Püspök: Wir haben sehr hohe Zuwächse, obwohl wir konstant nur zwei Prozent Zinsen bezahlen. Aber man muss auch hier aufpassen. Es gibt schon Anbieter, die Gewinnmaximierung betreiben. Es gehen viele mit dem guten Namen Mikrokredit herum und missbrauchen ihn.

Gabriel: Womit wir wiederbeim Ausgangspunkt wären: Beim ethischen Investieren muss man eben immer selbst aufpassen, wohin das Geld geht.

auf einen blick

Ethik und Investment – zu diesem Thema diskutierten im Rahmen eines „Presse“-Round-Table der Ethikexperte Mag. Dr. Klaus Gabriel von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, der frühere Generaldirektor der Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien und jetzige Vorstandschef der auf Mikrokredite spezialisierten gemeinnützigen Entwicklungsbank Oikokredit, Dkfm. Peter Püspöck, und der Assetmanager Mag. Thomas Bobek von der Erste-Sparinvest KAG, der Fondstochter der Erste Group. Die Initialzündung für die Diskussion lieferte eine Forschungsarbeit/Dissertation von Mag. Helmut Berg am Institut für Gesellschaftslehre der Katholisch-Theologischen Universität Linz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2010)

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