Tschechien

Tschechen, die in der Luft schwimmen

Hoch hinaus: Vom böhmischen Paradies und dem berühmten Räuber Rumzeis, auf Deutsch Fürchtenix, bis zur Schneekoppe im Riesengebirge, wo Rübezahl zuweilen als Mönch, Bergmann oder ordinärer Baumstumpf auftritt.

Das böhmische Paradies liegt weniger als 100 Kilometer von Prag entfernt, Richtung Nordosten, und ist das älteste Naturschutzgebiet Tschechiens. Ein Paradies vor allem für Leute wie Jiří Krupka, der aus der Region stammt und der rund 100 der bis zu 60 Meter hohen Felstürme bei Prachov schon bestiegen hat. „Jeder der Felstürme hier hat einen Namen“, sagt Jiří, oft sind die Türme nach den Personen benannt, die sie zum ersten Mal bestiegen haben. Eigenartiger hingegen sind die Namen der markierten Wanderwege – einer davon heißt „die Astronauten“, ein anderer nennt sich „Tschechen, die in der Luft schwimmen“.

Die Wahrzeichen der Region sind die „Nadelspitze von Prachov“ und der „Gesichtsfelsen“. Keine Frage, die bizarren Sandsteinformationen, die von der Erosion geschaffen wurden, regen die Fantasie an. Wer auf den markierten Wegen, Treppen, Stufen und Leitern bleibt, der kann die mystische Welt des böhmischen Paradieses auch mit Kindern erleben. Für tschechische Kinder hat dieser Rundgang einen besonderen Reiz, denn viele schauen, ob sich vielleicht irgendwo in den Felsspalten, Grotten und engen Durchgängen ein Räuber versteckt hat, den sie aus Erzählungen, Büchern oder aus Zeichentrickfilmen kennen. Denn der Räuber Rumzeis, der vielen als der tschechische Robin Hood gilt, lebte angeblich hier. Bereits in den 70er-Jahren wurde die Rumzeis-Geschichte ins Deutsche übertragen, in der Übersetzung nannte man ihn den „braven Räuber Fürchtenix“.

Ein Fürchtenix ist auch Jiří Odnoha, der seit mehr als 20 Jahren eine Kletterschule im böhmischen Paradies betreibt. Für ihn sind die Sandsteinfelsen ein Dorado, weil es kaum Sicherungen gibt, sondern Freiklettern gefordert ist – genau das macht er am liebsten. Klettern sollte man am besten relaxt und ohne große Anstrengung, „Kletterer sind wie Gämsen, sie müssen immer entspannt und ruhig sein“, beschwört Jiří.

Eine Reise ins böhmische Paradies lässt sich verbinden mit einem Abstecher ins Riesengebirge, das höchste Gebirge in Tschechien. Die Schneekoppe an der Grenze zu Polen ist eher ein Wander- als ein Kletterberg – wer für einen Aufstieg zum mehr als 1600 Meter hohen Gipfel nicht genug Zeit oder Energie hat, der besteigt die moderne Gondelbahn, um die grandiose Fernsicht zu bewundern. Einen Adrenalinkick bietet das Riesengebirge dennoch: Im Wintersportort Spindlermühle liegt der Monkey Park Spindlermühle. Der Hochseilgarten bietet Besuchern ab einer Körpergröße von 140 Zentimetern insgesamt 32 Hindernisse, die alle in drei bis sieben Meter Höhe aufgebaut sind, mit verschiedenen Herausforderungen: über Balken oder schmale runde Stäbe balancieren, Schritt für Schritt über wacklige Stahlseile gehen oder durch riesige Spinnennetze klettern – zwischendurch hängt man sich immer wieder mit einer Seilrolle und mit Karabinern ein und gleitet am Drahtseil von Baum zu Baum bzw. von Plattform zu Plattform.

Während man sich im böhmischen Paradies auf die Spuren des Räubers Rumzais begibt, erwartet einen im Riesengebirge Rübezahl, ein freundlicher Schutz- und Gebirgsgeist, der auf Tschechisch Krakonoš heißt. „Ich bin ihm zwar noch nicht begegnet, aber er soll schon auf der Schneekoppe gesichtet worden sein“, sagt Luboš Černý, der für die Seilbahngesellschaft an der Schneekoppe arbeitet. Wie Rübezahl, der als Mönch oder Bergmann, manchmal aber auch als Baumstumpf auftritt, aussehen könnte, das zeigen holzgeschnitzte Rübezahlfiguren – sie sind in dem Lokal auf der Schneekoppe ebenso zu finden wie im Ort Pec pod Sněžkou oder in Poniklá, wo Jana und Rosta Pičmanová seit 1999 ein Privatmuseum zur Kultur und Geschichte des Riesengebirges betreiben.

Verlorene Traditionen

In einer Scheune, die auf mehreren Stockwerken voll mit Schaustücken ist, zeigen sie Spielwaren und Christbaumschmuck, alte Haushaltsgeräte, Textilien und vieles mehr. „Viele Traditionen des Riesengebirges gehen verloren, etwa das Spitzenklöppeln oder die alten Spielwaren. Seit mehr als 16 Jahren versuchen wir hier, noch etwas davon zu bewahren, das ist unser Hobby“, erklären Jana und Rosta Pičmanová, deren Augen leuchten, wenn sie ihre Schätze präsentieren. Zu vielen Objekten wissen die Museumsgründerinnen interessante Geschichten zu erzählen. Nur zu Rübezahl, da schweigen sie sich aus – und so bleibt der Berggeist wohl weiterhin ein Geheimnis.

Klettern

Anreise: Von Wien ins böhmische Paradies sind es etwa 380 Straßenkilometer, die bestausgebaute Strecke führt über Prag. Von Wien nach Spindlermühle im Riesengebirge sind es rund 350 Straßenkilometer, für die Strecke sollten etwa fünf Stunden einkalkuliert werden.

Kletterkurse im böhmischen Paradies: Kletterschule Böhmisches Paradies, Jiří Odnoha, Rybní Důl 754, 29 401 Bakov nad Jizerou, Tel. +420/606/345 435, odnoha@seznam.cz, www.hsceskyraj.cz

Hochseilpark im Riesengebirge: Monkey Parky (HappyWorld), První bobová a.s., Bedřichov 127, Špindlerův Mlýn, +420/499/433 430, bobovka.cz

Museum zu den Traditionen des Riesengebirges: Jana Picmanová, Ponikla 156, Ponikla 512 42, www.krkonose-muzeum.cz

Übernachten:

Böhmisches Paradies: EA Schlosshotel Hruba Skala, Hrubá Skála 1, 511 01 Turnov, hrubaskala.cz, das Schloss beherbergt ein Vier-Sterne-Hotel sowie ein Hostel.

Riesengebirge: Clarion Hotel Spindleruv Mlyn, Labska 111, 543 51 Spindleruv Mlyn (Spindlermühle), www.clarionhotelspindleruvmlyn.com

Essen und Trinken:

Böhmisches Paradies: Schlosshotel Hruba Skala, Hrubá Skála 1, 511 01 Turnov, Aussichtsterrasse auf den Wehranlagen und mittelalterliche Schenke, hrubaskala.cz, geöffnet täglich von 11 bis 23 Uhr.

Hotel Hvězda, Pec pod Sněžkou 193, 542 21 Pec pod Sněžkou, hotelhvezda.cz, traditionelle tschechische Gerichte, aber auch internationale Küche.

Weitere Infos:Tschechische Zentrale für Tourismus – CzechTourism, +01/8920299, wien@czechtourism.com , www.czechtourism.com.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2017)

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