"Ein Stück Heimat in den USA": Das Kärntner Apfelstrudel-Märchen

Helene Gallent verkauft ihren Apfelstrudel auf Bauernmörkten in Washington.
Helene Gallent verkauft ihren Apfelstrudel auf Bauernmörkten in Washington.Maximilian Mayerhofer
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Mit ihrem "Apple Strudel" kam die Kärntnerin Helene Gallent zu lokaler Prominenz im Großraum Washington. Jetzt will sie den Rest des Landes erobern.

Es wurde, wie so viele persönliche Erfolgsgeschichten im Ausland, aus der Not heraus geboren. Als die Kärntnerin Helene Gallent vor zwei Jahren zu ihrem (ebenfalls aus Kärnten stammenden) Mann nach Washington D.C. zog und um die Green Card ansuchte, war erst einmal monatelanges Warten angesagt. „Da ich in dieser Zeit nicht arbeiten durfte, habe ich viel Zeit in der Küche verbracht, um zu kochen und zu backen“, erzählt die 31-Jährige. „Ganz gemütlich und ohne Hektik – wie früher in Steuerberg, meiner Heimatgemeinde. Mit hochwertigen, natürlichen Zutaten aus der Umgebung.“

Dabei entstanden auch immer wieder Apfelstrudel, die sie ihren Gästen und Freunden servierte. Diese waren dermaßen begeistert vom einzigartigen Geschmack der Nachspeise, dass sie ihr rieten, ihre Strudel auf Bauernmärkten zu verkaufen. „Für mich kam das anfangs überhaupt nicht infrage“, sagt Gallent. „Ich bin ja keine ausgebildete Köchin oder Bäckerin. Ich bin Sonderschulpädagogin und habe damals darauf gewartet, dass ich meine Green Card bekomme und in einer Schule unterrichten darf.“

Andererseits aber habe sie immer wieder mitbekommen, dass viele Amerikaner zumindest vorübergehend – notgedrungen oder aus einer Leidenschaft heraus – Tätigkeiten nachgehen, die nichts mit ihrer Ausbildung zu tun haben. Es sei „nichts Ungewöhnliches“, wenn etwa ein Computerexperte als Bäcker arbeite, in den USA würde man solche Biografien „viel wohlwollender und lockerer“ betrachten als etwa in Österreich.

Erfolg durch Mundpropaganda

Also ließ sie sich doch überzeugen und bot ihren Apfelstrudel auf einem Markt in Arlington nahe Washington an – zuvor wurde er vom, wie sie sagt, „Marktkomitee“ gekostet und für gut befunden. Der Rest ist sprichwörtlich Geschichte. Durch die Mundpropaganda verkaufte sie innerhalb weniger Monate so viele Apfelstrudel, dass sie ein Unternehmen (ein „woman-owned small start-up“) gründete, auf einem zweiten Markt in Arlington einen Stand erwarb und sogar zu lokaler Prominenz kam. Die auflagenstarke Zeitung „Washington Post“ veröffentlichte gleich zwei ausführliche Artikel über Little Austria – so heißt ihr Start-up. Mittlerweile beliefert Gallent nicht nur Märkte, sondern nimmt auch Bestellungen für Feste, Geburtstage und dergleichen an. Die Nachfrage wächst buchstäblich von Tag zu Tag. Ihre besten Kunden sind ältere, ernährungsbewusste Menschen (die schon einmal Apfelstrudel ohne Zucker bestellen) und Kinder.

Bis heute bäckt die Kärntnerin sämtliche ihrer Strudel selbst per Hand – in einer sogenannten Commercial Kitchen, einer Gemeinschaftsküche also, in die sie sich stundenweise einmietet. Die Äpfel kauft sie von lokalen Bauern, für den Teig verwendet sie, wie sie extra betont, keine Eier, sondern nur Butter. Aber: „Echte Butter und kein Palmöl oder so einen Mist.“ Wenig überraschend also, dass sie langsam an ihre Kapazitätsgrenzen stößt. „Früher oder später werde ich Verstärkung brauchen, ich komme mit den Bestellungen kaum nach. Ich musste sogar schon meinen Mann anlernen, um mir auszuhelfen“, scherzt sie. Dieser gewann im Übrigen in der Green-Card-Lotterie und arbeitet für ein großes deutsches Logistikunternehmen. Kennengelernt haben sich die beiden in Kärnten, wo beide als Skilehrer arbeiteten.

Keine geheimen Zutaten

Wie es mit Little Austria weitergehen soll? Eine eigene Bäckerei kommt für Gallent nicht infrage. Davon gebe es schon zu viele. Ihr mittelfristiges Ziel sei daher, ihre Apfelstrudel so zuzubereiten, dass sie tiefgekühlt in Supermärkten angeboten werden können. Aber das erfordere noch viel „Entwicklungsarbeit“ und „Ausprobieren beim Rezept“, schließlich dürften weder Qualität noch Geschmack darunter leiden. Denn diese beiden Faktoren seien das Geheimnis hinter ihrem Produkt.

„Ich habe keinerlei geheime oder exotische Zutaten, ich investiere einfach nur viel Zeit und die besten Zutaten, die in den USA gar nicht so leicht zu bekommen sind“, betont Gallent. „Der Aufwand ist enorm, aber er lohnt sich, wenn ich von meinen Kunden höre, dass sie mein Strudel an ihre Kindheit bei ihrer Großmutter erinnert.“ Denn genau das wolle sie mit ihrer „traditionellen, einfachen“ Mehlspeise erreichen: „Ein Stück Kindheit und Heimat zu vermitteln.“

ZUR PERSON

Auswanderin. Die Kärntnerin Helene Gallent lebt mit ihrem ebenfalls aus Kärnten stammenden Mann seit zwei Jahren in der Nähe von Washington D.C. und verkauft auf Bauernmärkten ihren selbst gebackenen Apfelstrudel – mit großem Erfolg. Über Little Austria, so heißt ihr Unternehmen, gab es schon zwei große Artikel in der „Washington Post“. Als Nächstes will sie ihre Mehlspeise so zubereiten, dass sie tiefgekühlt in Supermärkten angeboten wird.

Web:www.little-austria.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2017)

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