Lange Wunschliste an Kurz

Kapsch trauert um die Grünen.
Kapsch trauert um die Grünen. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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IV-Präsident Kapsch vermisst die Grünen, bemitleidet Harald Mahrer und erwartet rasche Förderkürzungen und Steuersenkungen.

Wien. Die Liste an Wünschen, die Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung, an die vermutlich kommende schwarz-blaue Regierung hat, ist lang: Schon im ersten Jahr müssten aus seiner Sicht eine ganze Reihe an Förderungen gestrichen oder reformiert werden, um eine notwendige Steuerreform zu finanzieren. Für entbehrlich in ihrer heutigen Form hält er etwa die Ökostromförderung, viele Strukturförderungen, aber auch die oft undurchsichtige Familienförderung im Land.

Mittelfristig führe kein Weg daran vorbei, den Föderalismus neu zu erfinden, die Zahl der Sozialversicherungsträger zu vermindern und das Pensionssystem zu reformieren.

Sozialpartner reformieren

Die Sorgen mancher seiner Geschäftspartner aus dem Ausland vor einer Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen teilt der bekennende Liberale nicht: Es werde zwar vermutlich mehr Polizei auf der Straße geben, was weniger die Sicherheit als vielmehr die Kosten erhöhe. Aber: „Ich glaube nicht, dass wir auf ungarische Verhältnisse zusteuern.“

Größter Wermutstropfen der vergangenen Wahl ist für ihn das Ausscheiden der Grünen aus dem Parlament. „Das ist eine politische Katastrophe.“ Personen vom Kaliber eines Werner Kogler fehlten nicht nur dem Nationalrat, sondern auch so manch anderer Partei. Vermissen wird Georg Kapsch auch den jetzigen Wirtschaftsminister, Harald Mahrer (ÖVP), der als neuer Wirtschaftsbundpräsident wohl bald auch an die Spitze der Wirtschaftskammer aufrücken wird. Ihm stehe mit der notwendigen Reform der Kammer sowie der gesamten Sozialpartnerschaft eine Mammutaufgabe bevor, um die er ihn nicht beneide.

Kapsch wiederholte seine grundsätzliche Kritik am Kammersystem in Österreich. Sowohl Wirtschafts- als auch Arbeiterkammer seien zu teuer, zu eng verstrickt mit den ehemaligen Großparteien und höchst reformbedürftig. Er erwarte von Mahrer eine „wirkliche Restrukturierung“. Auch die gesetzliche Pflichtmitgliedschaft müsse ernsthaft infrage gestellt werden. „Ich halte nichts davon, die Berechtigung für die Wirtschaftskammer aus dem Jahr 1848 abzuleiten“, sagte Kapsch in Bezug auf jüngste Äußerungen von Mahrer. Auch das System der Kollektivverträge hänge aus seiner Sicht nicht ursächlich an der Pflichtmitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer.

„Vier Prozent absurd“

Die Industriellenvereinigung stehe zu branchenweiten Kollektivverträgen, die allerdings „nicht so dick“ sein müssten wie heute, um den Betrieben noch die Chance zu geben, etwas zu gestalten. Die Verhandlung der Kollektivverträge müsse von Arbeitgeberseite aus jedenfalls weiter in den Händen der Fachverbände der Wirtschaftskammer bleiben. Die Industriellenvereinigung selbst sei daran auch bei einem möglichen Ende der Pflichtmitgliedschaft nicht interessiert.

Angesprochen auf die laufenden KV-Verhandlungen für die Metallindustrie geißelte der Industrielle die Forderung der Gewerkschaft nach einer Gehalts- und Lohnerhöhung von vier Prozent als „völlig absurd“ und „von vornherein unrealistisch“. Generell forderte er für die Lohnrunden eine Abkehr von der sogenannten Benya-Formel, die den Lohnanstieg aus Inflationsrate und Produktivitätszuwachs berechnet. Dieses System würde die Betriebe mittelfristig zu stark belasten, da die höheren Löhne auch in schlechten Jahren voll zu bezahlen seien. Sein Gegenvorschlag: geringere Lohnerhöhungen und dafür höhere Einmalzahlungen. (auer)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2017)

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