In Vietnam trat der US-Präsident als nationalistischer Propagandist auf, Chinas Staatschef als Oberglobalisierer.
Wien/Hanoi. Das erste, was Zehntausende US-Soldaten bei ihrer Landung in Vietnam zu sehen bekamen, war die Küstenstadt Danang und den als Surferparadies gerühmten China Beach mit seinen Sandstränden am Südchinesischen Meer. Donald Trump hat sich – wie George W. Bush und viele Söhne privilegierter Familien – in den späten 1960er-Jahren um den Einsatz im Vietnam-Krieg gedrückt. Im Wahlkampf hatte er sich noch über den Vietnam-Veteranen John McCain als „Verlierer“ mokiert, was in den USA zu einem Aufschrei führte. Der republikanische Trump-Gegner McCain hatte als Kriegsgefangener im berüchtigten Hanoi Hilton jahrelang der Folter der Vietcong getrotzt.
Als der US-Präsident gestern im Rahmen seiner Asienreise in Danang zum Apec-Gipfel eintraf, zeichnete er in einer Zeremonie US-Veteranen mit einer Medaille aus und würdigte sie als „mutige, starke, große Patrioten“. Seine Regierung werde nicht eher ruhen, bis das Schicksal der 1253 vermissten US-Soldaten geklärt sei, versprach er pathetisch.
US-Adler mit Trump-Tolle
Es war ein Auftritt, wie die Welt es von Donald Trump gewohnt ist – und nicht samtpfötig, kleinlaut und geschmeichelt wie zuvor in Peking. In Vietnam war Trump wieder ganz der Alte – der populistische Propagandist des Credos America First und Gegner einer multilateralen Zusammenarbeit. Pünktlich zum Apec-Gipfel in Danang erschien zudem der „Economist“, das von einer globalen Elite geschätzte Magazin, mit einem provokanten Titel. Auf dem Cover prangt der Weißkopfadler, das US-Wappentier, als gefährdete Spezies mit einer Trump-Tolle auf dem Haupt. Die Rolle der USA als globale Führungsmacht sei in Gefahr, insinuierte das Blatt – herausgefordert just durch Xi Jinping, den starken Mann Chinas, der sich von Davos bis Danang als Verfechter der Globalisierung stilisiert und der Trump in den vergangenen Tagen in Peking mit allem Pomp hofiert hat.
Die Staats- und Regierungschefs der 21 Apec-Mitgliedsstaaten, der Wirtschaftsgemeinschaft in Asien und im Pazifikraum, hatten also Gesprächsstoff beim Small Talk am Rande des Treffens und in den Sitzungspausen in Danang, zumal einige von ihnen den US-Präsidenten im Vorfeld empfangen hatten oder noch in Empfang nehmen: Japans Shinzō Abe, Südkoreas Moon Jae-in oder Rodrigo Duterte, der philippinische Präsident, der sich als Bruder im Geiste Trumps sieht, tauschten Erfahrungen im Umgang mit dem mächtigsten und – für manche – auch dem gefährlichsten Mann der Welt aus. Dass die Schutzmacht USA unter Trump die transpazifische Freihandelszone TPP verlassen hat, hinterließ bei den übrigen elf Mitgliedern – Neuseeland über Japan bis Chile – einen bitteren Nachgeschmack.
Positives Trump-Bild
Obwohl die Kriegsfolgen im Alltag noch allgegenwärtig sind und das Agent-Orange-Gift im Boden versickert ist, schätzen indessen die Vietnamesen den Führer des ehemaligen Feindes mehr als dessen eigene Landsleute. Laut Meinungsforschungsinstitut Pew haben 58 Prozent der Vietnamesen eine positive Einstellung zu Trump – nur 36 Prozent der Amerikaner teilen diese Ansicht. Die Vietnamesen trauen ihm zu, der Hegemonialmacht China die Stirn zu bieten. Vietnam liegt mit der Führung in Peking im Konflikt um Territorialansprüche im Südchinesischen Meer, wo es bereits zu gewalttätigen Zwischenfällen der chinesischen Flotte mit vietnamesischen Fischern kam. Bei der Peking-Visite kam dies jedoch nicht zur Sprache.
In dem in tiefblau getauchten großen Ballsaal des Fünfstern-Hotel Furama prallten die Weltanschauungen Trumps und Xis aufeinander: Trump, der Advokat des Nationalismus, versus Xi, der sich zu einem Proponenten der Globalisierung aufschwingt. Wo Barack Obama den „Schwenk nach Asien“ postulierte, redet Donald Trump vom „indisch-pazifischen“ Raum, einer Worthülse der republikanischen Geostrategen in Washington, die unter Verbündeten Fragen aufwarf. „Wir suchen starke Partner, starke Nachbarn“, rief der US-Präsident in den Saal. „Wir werden nicht zulassen, dass die USA ausgenutzt werden.“ Die Suada führt Trump seit 30 Jahren im Mund.
Nach Trump trat Xi ans Podium, und am Ende seiner Rede erntete der kommunistische Technokrat einen stärkeren Applaus als der Führer der westlichen Welt. Der Kontrast hätte nicht deutlicher sein können. Die Globalisierung sei ein „unumkehrbarer Trend“, sagte Xi. Er plädierte für ein „globales Netzwerk von Freihandelszonen“ und pries den Pariser Klimapakt. „Offenheit bringt Fortschritt. Wer sich abschottet, bleibt zurück.“ Es war auf die ökonomische Freiheit gemünzt, nicht auf die politische.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2017)