Dominic Thiem: Wenn der Kopf nicht funktioniert

Österreichs Nummer eins Dominic Thiem sucht in London Form und Schläge.
Österreichs Nummer eins Dominic Thiem sucht in London Form und Schläge. (c) REUTERS
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Dominic Thiem versucht bei den ATP-Finals in London in hochintensiven Trainings seine Form wiederzufinden. Coach Günter Bresnik sagt: „Es fehlt komplett die Selbstverständlichkeit.“

Die ATP World Tour Finals sind aus vielerlei Hinsicht etwas Besonderes, das betrifft auch das Regulativ. Denn bei jedem anderen Turnier wäre Dominic Thiem nach einer Auftaktniederlage wie gegen Grigor Dimitrov in London bereits ausgeschieden, nicht aber beim Saisonabschlussevent in der O2-Arena. Heute (21 Uhr, live Sky) bestreitet der Niederösterreicher sein zweites von drei Gruppenspielen. Um noch vom Halbfinaleinzug träumen zu dürfen, ist ein Sieg gegen den Spanier Pablo Carreno Busta – er ersetzt den verletzten Rafael Nadal – alternativlos.

Zwei Stunden hatte sich Thiem am Dienstag auf dieses vorentscheidende Spiel vorbereitet. Auf dem Practice Court 2 unweit des Center Courts wurde mit immens hoher Intensität trainiert, als Sparringpartner stand der 18-jährige Serbe Miomir Kecmanovic parat. Ein hochbegabter junger Mann, der vor einem Jahr noch Führender in der Juniorenweltrangliste war und als Nummer 209 mittlerweile auch auf der ATP-Tour erste Anzeichen seines Talents erkennen hat lassen. „Du wirst ein guter Spieler werden“, richtete ihm Coach Günter Bresnik aus, dessen Hauptaugenmerk freilich auf seinem eigenen Schützling lag.

Immer und immer wieder ließ Bresnik Thiem während der Trainingseinheit die Rückhand cross üben. Ein Schlag, der ihn nicht erst gegen Dimitrov phasenweise im Stich gelassen hatte, sondern der schon seit Wochen längst nicht mehr wunschgemäß funktioniert. Bresnik nahm die gewohnte Beobachterrolle ein, er korrigierte: „Achte auf die Beinstellung!“

Wer zu viel nachdenkt

Später sprachen Thiem und Bresnik unisono von einem „guten Training“, Fortschritte seien zu erkennen, die Form sei bereits um einiges besser als etwa beim Heimturnier in Wien vor drei Wochen. Dennoch ist eine Verunsicherung im Spiel des 24-Jährigen unverkennbar, Bresnik sagt im Gespräch mit der „Presse“: „Es fehlt momentan komplett die Selbstverständlichkeit. Es ist fatal, wenn du nachdenken musst, ob du deinem Gegner den ersten Aufschlag auf die Vorhand oder die Rückhand servierst, mit Kick oder nicht. Gleich verhält es sich beim Return, wenn du nicht weißt, wie du dich positionieren sollst. Zu viel nachdenken ist schlecht.“

Man könnte meinen, Thiem habe ein mentales Problem, auch weil er zwei Drittel der engen Matches in diesem Jahr verloren hat. Solche Thesen weist Bresnik aber konsequent von der Hand, für den 56-Jährigen geht es am Ende des Tages immer nur darum, wer der bessere Tennisspieler sei, wer den entscheidenden Winner schlage. Weil die öffentliche Kritik an seinem Schützling in den vergangenen Wochen teils ungeahnte Ausmaße angenommen hat, sah sich Bresnik auch berufen, Thiem etwas in Schutz zu nehmen. „Es heißt immer nur: Wie gibt's das, der Thiem verliert gegen den oder den. Dabei sollte man immer auch sehen, gegen wen er gespielt hat.“

Dass er gegen Spieler wie Kevin Anderson (Achtelfinale, Washington), Juan Martin del Potro (Achtelfinale, US Open) oder Diego Schwartzman (2. Runde, Montreal) allesamt nach vergebenen Matchbällen verloren hat, sei zwar „ärgerlich“, aber angesichts der Klasse des Kontrahenten eben nicht unvermeidbar. Insofern sei auch die knappe Niederlage gegen Dimitrov in London nichts, wofür man sich schämen müsse. „Der spielt eine ausgesprochen gute Hartplatzsaison, wurde schon vor zwei, drei Jahren als potenzielle Nummer eins gehandelt. Der kann wirklich was“, urteilte Bresnik.

Duell der Gebeutelten

Nebst allen Adelungen der Konkurrenz, die Ansprüche an den Weltranglistenvierten Thiem bleiben intern weiterhin hoch. Gegen Carreno Busta zähle nur ein Sieg, ansonsten brauche man sich bei diesem Turnier „über nichts mehr den Kopf zerbrechen.“ Wie Thiem plagt auch den 26-jährigen Spanier eine hartnäckige Ergebniskrise. Seit seinem Vorstoß ins US-Open-Halbfinale hat Carreno Busta nur ein einziges Match gewonnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2017)

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