Heinzl-Mania und das ORF-Dilemma

Warum soll öffentlich-rechtliche Unterhaltung mehr wert sein als im Privat-TV gesendete?

Damit wird der ORF das junge Publikum nicht gewinnen können: Eigenwerbung weit jenseits der Grenze zur Peinlichkeit und schnarchfade Prominenz zwischen Astrologin Helga Kuhn, Königin Beatrix und der auch schon ziemlich angegrauten EAV - so präsentierte sich die neue Society-Schiene auf ORF1 von und mit Dominic Heinzl. Auch wenn bei der Studiopräsentation alle Gäste Chilis essen mussten - das Format ist eher brav denn scharf. Die Premiere war eine herbe Enttäuschung.

Ob Heinzl die hoch gesteckten Erwartungen erfüllen kann? Der einzig und allein der gesellschaftlichen Vergnügungssucht Tribut zollende Societyreporter wurde zum „Retter des ORF" hochstilisiert. Der neue Finanzdirektor des Senders bezeichnete die Rückkehr Dominic Heinzls in den ORF in der „Presse" sogar als wichtige „Investition". Dass der Öffentlich-Rechtliche just in Zeiten seiner schlimmsten Finanzkrise, in der er verzweifelt die Hand für frisches Geld aufhalten muss (und 160 Millionen Euro Gebührenbefreiungen als Extrabonus refundiert bekommt), sein Heil ausgerechnet in einem Privat-TV-Helden sucht, ist doch bezeichnend. Der Vorabend schwächelt, Heinzl soll's wieder richten - nach über einem Jahrzehnt bei ATV.

Warum aber soll öffentlich-rechtliche Unterhaltung mehr wert sein als im Privat-TV gesendete? Gerade der Fall Heinzl führt vor Augen, wie austauschbar die Gesichter und Sendungen geworden sind: Wenn ein Testimonial beliebig vom ORF ins Privatfernsehen und wieder zurück wechseln kann - und Heinzl wird der Alte bleiben, das hat er in diversen Interviews angekündigt („Ich kann mir nicht vorstellen, dass man sich einen Maulhelden holt, um ihm einen Maulkorb umzulegen") -, wo ist dann der Mehrwert, der den ORF über die Konkurrenz qualifizieren soll? War Heinzl im Privat-TV denn schlechter? Wieso rechtfertigt ein Sender u. a. damit die Einhebung von 530 Mio. Euro Gebühren, während die privatwirtschaftliche Konkurrenz sich ein Almosen von fünf Mio. teilen muss?

Ach ja, da gibt's ein Argument: Der ORF macht keine Unterbrecherwerbung. Das darf er gar nicht. Natürlich haben die findigen Juristen am Küniglberg eine Lösung gefunden: Heinzl macht nicht eine, sondern zwei Sendungen für den ORF - und dazwischen wird ein Werbeblock geschaltet. Völlig legal.

Es wird nicht lange dauern, und der ORF wird sich wappnen müssen, wenn es um die Frage geht, wer am Markt wie viel Geld bekommen soll. Die Privaten jedenfalls sind nicht gewillt, kampflos abzuziehen - sie kennen die Achillesferse. ATV hat Heinzl ziehen lassen und gleich die nächste Front eröffnet: „Ein gutes Newsformat vor der Wahl brachte uns 400.000 Zuschauer, ,Hi Society‘ (Heinzls Sendung bei ATV) brachte 200.000", rechnete ATV-Eigentümer Herbert Kloiber zuletzt in der „Presse am Sonntag" vor. Früher hätte man im ORF darüber noch milde gelächelt . . .


isabella.wallnoefer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2010)

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