Champions League: Barças neues Erfolgsrezept

Neymar mag fehlen, Messi und Suarez aber bleiben das Herz der Barcelona-Offensive.
Neymar mag fehlen, Messi und Suarez aber bleiben das Herz der Barcelona-Offensive.(c) APA/AFP/OSCAR DEL POZO
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Eigentlich müsste beim FC Barcelona die Krise herrschen. Tut sie aber nicht, das System von Neo-Coach Ernesto Valverde (nicht brillieren, hoch gewinnen) sichert Sieg um Sieg. Heute wartet Juventus Turin.

Barcelona/Wien. Der Tiefpunkt des großen FC Barcelona schien mit der Präsentation eines gewissen Paulinho erreicht. Der weithin unbekannte brasilianische Mittelfeldmann, 29, wurde gerade für 40 Millionen Euro vom chinesischen Klub GZ Evergrande verpflichtet, dort war er nach zwei enttäuschenden Jahren bei Tottenham gelandet. Traditionell sollte er bei seiner Vorstellung im Camp Nou gaberln, doch nach zwei Berührungen sprang ihm der Ball schon wieder vom Fuß. Eine unfaire Momentaufnahme, aber ein Sinnbild für Barças Misere zu Saisonbeginn.

Der Klub hatte sich 2017 mit dem Cupsieg trösten müssen, war im Supercup Real Madrid unterlegen und musste Superstar Neymar trotz der absurd hohen Ablöseforderung von 222 Millionen Euro nach Paris ziehen lassen. Schnellstmöglich wollte die Vereinsführung adäquaten Ersatz präsentieren, bei Wunschspieler Coutinho und dessen Arbeitgeber Liverpool biss man sich aber die Zähne aus, auch die Transfers von Marco Verratti, Héctor Bellerín, ?ngel Di María, Iñigo Martínez und Jean Seri platzten. Bei der Präsentation des teuersten Spielers der Klubgeschichte, Ousmane Dembélé, geholt für 145 Millionen Euro nach nur einer ansprechenden Saison in Dortmund, musste sich Präsident Josep Maria Bartomeu von den wartenden Fans Rücktrittsaufforderungen anhören. Und weil sich Dembélé nach drei Partien verletzte und 2017 wohl nicht mehr spielen wird, blieb der nur noch der einst nach China ausgemusterte Paulinho übrig.

In der Katalonien-Krise geriet der Verein, seit jeher katalanisches Nationalheiligtum, erneut in die Schlagzeilen. Abwehrchef Gerard Piqué, ein glühender Separatist, wurde zu Spaniens Feindbild, die Mannschaft spielte vor leeren Rängen und drei Führungskräfte, darunter Vizepräsident Carles Vilarrubí, traten empört von der Klubpolitik kurzerhand zurück.

All dieser Umstände zum Trotz aber gewinnt Barcelona ein Spiel nach dem anderen. Zwölf Runden sind in der Liga absolviert, die Bilanz von Messi und Co.: Elf Siege, 33:4 Tore. Einzig Atlético Madrid konnte den Katalanen ein Remis abtrotzen, Erzrivale Real Madrid liegt bereits zehn Punkte zurück, die Meisterschaft scheint schon jetzt entschieden zu sein. In der Champions League ist Barcelona ebenso souveräner Tabellenführer, ein Remis am Mittwoch bei Juventus Turin (20.45 Uhr, live ORF eins) würde schon das Achtelfinale bedeuten, das Hinspiel wurde 3:0 gewonnen.

Es war Ernesto Valverde, der die Krise in Barcelona vergessen gemacht hat. Der neue Coach, er kam von Athletic Bilbao und hatte die Basken vier Mal in Folge in den Europacup geführt (aktuell sind sie nur Tabellen-15.), hat inzwischen einen besseren Start hingelegt als Pep Guardiola und Luis Enrique. Zumindest, was die Resultate betrifft. Denn Barças Spiel ist weit entfernt von der Brillanz unter seinen Vorgängern. So manchen Sieg verdankt Valverde einzig den Paraden von Marc-André ter Stegen.

Guardiolas Wunschkandidat

Nicht brillieren, aber hoch gewinnen – das System Valverde funktioniert jedenfalls. „Wir entschuldigen uns nicht für Siege“, sagt der 53-Jährige, ein leidenschaftlicher Fotograf, der bereits 2012 von Guardiola bei dessen Abschied als Nachfolger ins Spiel gebracht wurde (neben dem mittlerweile verstorbenen Tito Vilanova). Ehemalige Schützlinge sehen seine Stärken in seiner Empathie, im Dialog und im direkten Feedback. „Er ist ein Trainer, in den wir uns alle verliebt haben“, meint Vereinspräsident Bartomeu überschwänglich.

Auf dem Spielfeld aber ist Messi mehr denn je das Epizentrum. An seiner Seite wird im Angriff jedoch rotiert, Tore von Denis Suárez, Paco Alcácer und Gerard Deulofeu haben dem Team bereits wichtige Sieg beschert. Am Wochenende hat auch Luis Suárez seine Torflaute nach 479 Minuten mit einem Doppelpack bei Leganes wieder beendet (3:0). Und der vermeintliche Panikkauf Paulinho absolvierte dort seinen 15. Saisoneinsatz, steuerte einen Treffer bei und ist nun der drittbeste Torschütze des FC Barcelona.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2017)

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