Leitartikel

Warum der Skiverband eine Präsidentin braucht

Doping, Streit mit Anna Veith oder Missbrauchsdebatte: Der Altherrenbund des ÖSV reagiert stets eigenartig. Dabei sollte diese Institution doch Vorbild sein.

Im Umgang mit kritischen Themen demonstriert der Österreichische Skiverband stets eine sonderbare Haltung. Es ist eine obskure, durchaus eigenartige Holzhammermethode, mit der Problemen begegnet wird. Dieser Altherrenbund agiert nämlich seit jeher nach nur einem einzigen Leitbild: Kritik ist unerwünscht.

Sei es Doping mit gepanschtem Blut, sei es der offen zur Schau getragene Disput mit Skistar Anna Veith wegen ihres deutschen Managers mit eigenen Sponsorwünschen, sei es aktuell die von der ehemaligen Skifahrerin Nicola Werdenigg aufgezeigten Fälle sexuellen Missbrauchs: Der ÖSV schickt in Problemfällen unermüdlich seinen Präsidenten, Peter Schröcksnadel, aus. Der Tiroler, 76, soll dann mit präsidialer Größe, wirtschaftlichem Gewicht und eloquenter Wucht das böse Spiel beenden. Dass ihm nicht jeder Auftritt glückt, sollte sich in Innsbruck aber schön langsam herumgesprochen haben. Damit bereiten ihm seine Gefolgsleute wirklich keinen Gefallen.

Der Erfolg des Skiverbands, seine Eigenständigkeit und politische Unabhängigkeit sind ganz eigene Kapitel; sie bleiben für österreichische Verhältnisse unbestritten. Sie zählen nur in dieser Angelegenheit nichts, sie sind sogar belanglos, wenn es darum geht, Vorwürfe einer Größenordnung, wie es Werdenigg in einem „Standard“-Interview getan und in einem „ZiB“-Gespräch sogar wiederholt hat, als Institution mit 400 Mitarbeitern, zig Stars und Tausenden Kindern in diversen Nachwuchskategorien aufzuarbeiten. Ursachenforschung, Einfühlungsvermögen, Verstehen, Sprechen – all das ist kein Rennen. Es gibt keinen Steilhang, aber auch keinen Fangzaun für diejenigen, die das partout missverstehen.

Daher greift man zu plumpen Mitteln, bemüht die Opfer-Täter-Rolle oder kehrt sie eiskalt um. Vergangene Woche erhielt Werdenigg vom ÖSV einen Brief und ein E-Mail mit der Bitte um Klärung ihrer Vorwürfe. Allerdings, mit dem Verweis auf Namensnennung bis Donnerstag dieser Woche – diese Information stammt aus dem ÖSV. Wer setzt einer Frau, die 40 Jahre dafür gebraucht hat, ihre Qualen öffentlich zu machen und ihre Peiniger dabei sogar noch verschont, eine Frist?

Da Werdenigg jedoch einen Fall aus dem Jahr 2005 nannte und behauptete, der damalige Damenchef (Herbert Mandl) hätte Bescheid gewusst und der ÖSV habe nichts unternommen, sind weitere Antworten wünschenswert, um den leidigen Generalverdacht auszuräumen. Werdenigg sicherte am Montag der Staatsanwaltschaft ihre Kooperation zu, aber nicht dem ÖSV. Das Vorhaben, jetzt doch nicht zu klagen und alles ob des öffentlichen Drucks zu relativieren mag seitens des ÖSV als proaktiv verstanden werden, die Aktion bleibt weiterhin erschreckend. Dabei sollte der Skiverband, ganz leicht, mit sensiblem Umgang ein Vorbild für andere Verbände sein, die mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert werden könnten.

Was seitens des männerdominierten Skiverbands getan werden könnte, um patscherte Kommunikation, Machtgehabe oder im Gegenzug ärgerliche Unterstellungen von Medien zu unterbinden, liegt auf der Hand. Der ÖSV sollte sich, neben Petra Kronberger, getrost mehr als nur eine weibliche „Konsulentin“ leisten. 16 Männer sitzen in der Präsidentenkonferenz, mit Roswitha Stadlober nur eine Frau. Warum? Es gibt im Weltcup keine Skitrainerinnen, der Frauensport wird – hinter vorgehaltener Hand – belächelt. Wieso?

Welche Folgewirkung all das hat, warum das Altherrenregime weiterhin Fortbestand hat – diese kritischen Strömungen muss Schröcksnadel immer wieder erklären. Das ist der Sache keinesfalls dienlich, im Gegenteil: Es erregt noch mehr Irritation und Zorn. Es würde den mächtigsten Verband des Landes nicht nur schmücken, sondern auszeichnen, würde ihm eine Frau vorstehen. Dann hätten sich diese leidigen Diskussionen prompt erübrigt.

E-Mails an: markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2017)

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