Brüssel verstärkt Kampf gegen Steuerbetrug

Der Austausch zwischen Steuer- und Zollbehörden soll intensiviert werden.
Der Austausch zwischen Steuer- und Zollbehörden soll intensiviert werden. (c) Bilderbox
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Die EU-Kommission will die Mitgliedstaaten zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen Mehrwertsteuerbetrug verpflichten. Das EU-Parlament legt indessen offen, wie viele Firmen Steuervermeidung betreiben.

Brüssel. Es ist das mit Abstand größte Schlupfloch für Steuerbetrüger – das Mehrwertsteuersystem der EU-Mitgliedsstaaten, das sich mit grenzüberschreitenden Tricks und Kniffen umgehen lässt. Vorsichtigen Schätzungen zufolge entgehen den Unionsmitgliedern pro Jahr rund 50 Milliarden Euro an Steuereinnahmen durch gefälschte Fakturen und ähnliche Umgehungskonstruktionen. Nachdem die Steuersysteme der EU-Mitglieder auf absehbare Zeit nicht miteinander vernetzt werden, liegt der Schlüssel zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs in besserem Austausch von steuerrelevanten Daten.

Genau diese Kooperation will die EU-Kommission nun anschieben. Am gestrigen Donnerstag präsentierte die Brüsseler Behörde ein Paket von Maßnahmen zur Verbesserung der Kommunikation zwischen den nationalen Steuerbehörden. Oder, um mit den Worten von EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici zu sprechen: „Wir wissen, dass der Mehrwertsteuerbetrug zur Finanzierung terroristischer Straftaten dienen kann. Die Bekämpfung dieses Übels erfordert einen sehr viel wirksameren Informationsaustausch zwischen den zuständigen nationalen Behörden als bisher.“

Laut Kommission sind die Lücken unter anderem der Tatsache geschuldet, dass der bereits stattfindende Datenaustausch ineffizient gestaltet ist. So werden beispielsweise die ausgetauschten Daten nicht automatisch in die Steuerdatenbanken gespielt, sondern müssen manuell verarbeitet werden – was die Fehlerquote erhöht. Gleichzeitig werden Erkenntnisse über organisierte Banden, die für die schwersten Fälle von Mehrwertsteuerbetrug verantwortlich sind, den EU-Strafverfolgungsbehörden nicht systematisch mitgeteilt.

Um diese Mankos zu beheben, schlägt die Brüsseler Behörde die Schaffung eines speziellen Onlinesystems für systematischen Austausch von Informationen vor. Es soll an das bereits bestehende EU-Expertennetzwerk für Betrugsbekämpfung (Eurofisc) andocken. Steuerbeamte aus zwei oder mehreren Mitgliedstaaten der Union sollen demnach Teams bilden, um die Daten gemeinsam zu prüfen.

Steuerschlupfloch Malta

Auch der Austausch zwischen Steuer- und Zollbehörden soll intensiviert werden. Außerdem sollen Eurofisc-Beamte Zugang zu den Fahrzeugzulassungsdaten der Mitgliedstaaten erhalten. Hintergrund: Der Handel mit Gebrauchtwagen ist besonders betrugsanfällig, weil die Mehrwertsteuersätze zwischen alten und neuen Fahrzeugen unterschiedlich sind. Wer Neuwagen als vermeintliche Gebrauchtautos klassifiziert und ins EU-Ausland bringt, kann auf diese Weise den Fiskus schädigen.

Indessen sorgen die Panama-Untersuchungen des Europaparlaments für Nachwehen. Nach der Erkenntnis, dass 750 österreichische Firmen Malta zur Steuervermeidung nutzen, sieht die SPÖ Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) gefordert. „Ich erwarte mir von den EU-Finanzministern, dass sie die jüngsten Paradise-Leaks ernst nehmen und auch gegen Steuertrickser in den eigenen Reihen vorgehen“, so SPÖ-Delegationsleiterin Evelyn Regner.

Einmal mehr zeige sich, dass es Steuersümpfe nicht nur auf fernen Inseln, sondern auch mitten in der Europäischen Union gebe. „Die EU-Finanzminister arbeiten gerade an einer schwarzen Liste für Steuersümpfe, die es ermöglichen soll, Sanktionen zu verhängen. Auf diese Liste müssen auch europäische Staaten gesetzt werden“, so Regner. (la/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2017)

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