Mehr als drei Monate nach der Wahl gibt es in Deutschland keine Regierung - erstmals in der Geschichte. Der Druck auf die Parteien ist groß, zu einem Ergebnis zu kommen.
CDU, CSU und SPD haben am Sonntag ihre Sondierungsgespräche aufgenommen, um im Detail die Chancen zur Bildung einer gemeinsamen Bundesregierung auszuloten. SPD-Chef Martin Schulz und Bundeskanzlerin Angela Merkel sprachen sich bei der Ankunft in der SPD-Zentrale für zügige Gespräche aus.
Nach einer ersten Spitzenrunde der Partei- und Fraktionschefs kommen am Mittag die jeweils 13 Mitglieder umfassenden Delegationen der drei Parteien zusammen. Nach einer kurzen Beratung in großer Runde sollen am Nachmittag dann die geplanten 15 Arbeitsgruppen erstmals tagen. Die Sondierungsgespräche sind auf fünf Tage angesetzt und sollen am Donnerstag beendet werden.
Um am sechsten Tag ein Ergebnis vorlegen zu können, verpflichteten sich die Verhandlungsteams auf eine Nachrichtensperre: Sondierungsteilnehmer dürfen weder in Talkshows gehen noch Interviews geben oder Zwischenergebnisse und Indiskretionen via Twitter kommunizieren, berichtete "Der Spiegel".
SPD-Sonderparteitag muss grünes Licht geben
Die Union drängt auf eine Fortsetzung der Großen Koalition. Die SPD-Spitze hat aber von einem Parteitag nur ein Mandat für ergebnisoffene Gespräche bekommen. Am Freitag will die SPD-Führung entscheiden, ob sie die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen empfiehlt. Dafür müsste ein Sonderparteitag am 21. Jänner grünes Licht geben.
Unterdessen wird bei den Sozialdemokraten bereits über künftige Ministerposten spekuliert. So sprach sich SPD-Urgestein Erhard Eppler dafür aus, dass Ex-Parteichef Sigmar Gabriel Außenminister bleibt. "Ich sehe niemanden, der das Amt des Außenministers besser bekleiden kann als Sigmar Gabriel", sagte der frühere Minister der "Welt am Sonntag". Ähnlich äußerte sich der Präsident des Wirtschaftsforums der SPD, Michael Frenzel. "Es wäre sehr, sehr schade, müssten wir auf Gabriel als Außenminister verzichten."
Gabriel positionierte sich in Medien
Gabriel ist nicht Teil des Sondierungsteams, das seit Sonntag mit der Union über eine mögliche Regierungsbildung verhandelt. Der frühere SPD-Chef meldete sich zuletzt aber in zahlreichen Interviews zu Wort, auch mit Bedingungen für das Zustandekommen einer neuen Großen Koalition. Auch als Außenminister sorgt er aktuell für hohe Aufmerksamkeit. Am Samstag hatte er sich in seinem Heimatort Goslar mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu getroffen.
Gabriel hatte im Jänner zugunsten des damals äußerst populären EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz auf den Parteivorsitz und die Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl verzichtet. Nach einem kurzen Höhenflug in den Umfragen fuhr Schulz dann aber bei der Bundestagswahl im September das historisch schlechteste Ergebnis für die SPD ein.
Noch am Wahlabend legte er seine Partei auf den Gang in die Opposition fest, konnte diesen Kurs aber unter anderem wegen des Widerstandes seines Parteifreundes, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, nicht durchhalten. Nach dem Scheitern der Sondierungen für eine Regierung aus Union, FDP und Grünen musste Schulz Gesprächen über eine Neuauflage der Großen Koalition zustimmen.
(APA/dpa/red.)