Die Regierung will den Einsatz von Kernwaffen erleichtern und neue Sprengköpfe entwickeln. Experten sind alarmiert.
Washington/Wien. Aus seiner Bewunderung für Atomwaffen hat Donald Trump nie ein Hehl gemacht. „Beim Nuklearen geht es einfach um Macht. Die Zerstörung ist sehr wichtig für mich“, verkündete er 2015 vor laufenden Kameras. Während der Wahlkampagne fragte der heutige US-Präsident mehrfach überraschte Außenpolitikexperten: „Wenn wir Atomwaffen haben – warum können wir sie nicht einsetzen?“ Und die viel beachtete Bemerkung von US-Außenminister Rex Tillerson, Trump sei ein „verdammter Trottel“, soll nach einem Treffen gefallen sein, in dem dieser die Verzehnfachung des US-Atomarsenals verlangte: von knapp 4500 auf 50.000 Sprengköpfe.
Trumps fester Glaube an die zerstörerischen Waffen findet sich nun auch in der neuen US-Nuklearstrategie des Pentagon wieder. Der „Nuclear Posture Review“ soll Ende Jänner veröffentlicht werden, nach Trumps Rede zur Lage der Nation. Was über den Inhalt bisher bekannt geworden ist, bestätigt die Befürchtungen vieler Experten: Die Regierung will die Rolle von Atomwaffen aufwerten und leichter nutzbare Sprengköpfe entwickeln. Kritiker warnen, das erhöhe die Gefahr eines Atomkriegs.
Konkret sieht der Entwurf des Berichts vor, die Einschränkungen für den Einsatz von Atomwaffen zu lockern, wie Jon Wolfsthal, der unter Trumps Vorgänger, Barack Obama, für Rüstungskontrolle und Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen zuständig war, dem „Guardian“ sagte. Das gilt vor allem für Situationen, in denen die USA nicht nuklear attackiert werden. So solle ein Nuklearschlag künftig auch als Antwort auf nicht nukleare Angriffe mit sehr hohen Opferzahlen erlaubt sein oder im Fall von Attacken auf wichtige Infrastruktur oder Kommandoeinrichtungen der Atomstreitkräfte.
Ein Sprengkopf gegen Russland
Geplant ist auch der Bau eines Atomsprengkopfes für U-Boot-gestützte Trident-D5-Raketen. Dies solle Russland abschrecken, bei einem möglichen Konflikt in Osteuropa taktische Nuklearwaffen einzusetzen – eine Abkehr von der bisherigen US-Politik, keine neuen Atomsprengköpfe zu entwickeln. Weil die USA Russland verdächtigen, gegen den Vertrag zum Verbot von Mittelstreckenraketen (INF-Vertrag) von 1987 verstoßen zu haben, will das Pentagon außerdem einen atomaren Marschflugkörper wiedereinführen, der vom Meer aus gestartet werden kann. Auch dies würde das INF-Abkommen verletzen.
Wolfsthal beruft sich bei seinen Angaben auf die Abschlussversion der neuen US-Nuklearstrategie. Vorherige Entwürfe seien noch deutlich aggressiver gewesen, sagte er dem „Guardian“. So habe eine frühere Version vorgesehen, die Zusagen an Nicht-Atomwaffenstaaten aufzuheben, wonach die USA ihre Kernwaffen nicht gegen sie anwenden werden. Insgesamt sei die Strategie als Abschreckungsbotschaft an Russen, Nordkoreaner und Chinesen gedacht.
Teure Modernisierungen
Schon vor Trumps Amtsantritt haben Atomwaffen an Bedeutung gewonnen. Alle Nuklearmächte – allen voran die USA und Russland – unterziehen ihre Arsenale einer umfangreichen Modernisierung. Allein Washington will bis 2050 rund 1,2 Billionen Dollar in seine Kernwaffen investieren – allen Obama-Visionen von einer atomwaffenfreien Welt zum Trotz. Doch Trumps Unberechenbarkeit und sein aggressives Gebaren in der Nordkorea-Krise haben selbst bei eingefleischten Republikanern Zweifel aufkommen lassen, ob der Präsident in einer Krisensituation die richtigen Entscheidungen treffen kann. Nicht zufällig diskutierte der US-Senat im November darüber, die Regeln für einen Atomwaffeneinsatz zu ändern. Bisher genügt ein Befehl des Präsidenten.
Experten wie Daryl Kimball vom Verband für Waffenkontrolle zeigten sich angesichts der Nuklearstrategie alarmiert. Die Entwicklung neuer Kernwaffen sei gefährlich, „das ist Kalter-Krieg-Mentalität“. Und er warnte vor weiteren Lockerungen: So gebe es Anzeichen, dass die Trump-Regierung das globale Tabu über Atomwaffentests untergraben wolle.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2018)