Papst-Reise in den Heimatkontinent

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Erste Etappe der südamerikanischen Reise des Papstes ist Chile: In keinem anderen Land der Region ist das Ansehen des Pontifex so gering wie dort.

Ob auch diese Reise zum Triumphzug wird? Dreimal ist Papst Francisco bisher nach Südamerika gereist, in den Kontinent, aus dem er stammt. Und dreimal – in Brasilien, dann in Ecuador, Bolivien und Paraguay sowie schließlich in Kolumbien – wurden die päpstlichen Visiten zu Mega-Events, die vor allem die Armen tief bewegten. Doch dieses Mal muss Franziskus damit rechnen, dass die Begeisterung wesentlich gedämpfter ausfallen könnte.

Montagabend landet seine Maschine in Santiago de Chile, der Hauptstadt jenes langen Landes, das lange Zeit als Bastion eines – erzkonservativen – Katholizismus galt. Die Bevölkerung wendet sich aber nun massiv von einer Kirche ab, die als abgehoben wahrgenommen wird, als verhabert mit den superreichen Eliten des Landes. Laut einer Befragung des Umfrageinstitutes „Latinobarómetro“ hat der Papst in keinem Land Südamerikas ein geringeres Ansehen als in Chile.

„Die langweiligste Kirche“

Die Frage, auf welche Kirche der Papst sich bei seinem Besuch gefasst machen könnte, beantwortete Priester Mariano Puga aus dem problematischen Hauptstadtviertel La Legua unlängst mit den Worten: „Mit der langweiligsten aller Zeiten. Mit einer Kirche, die das Evangelium ebenso vergaß wie Jesus Christus und die Armen.“

In der südchilenischen Stadt Osorno formiert sich indes eine Laienbewegung gegen den dortigen Bischof Juan Barros. Dieser war von Franziskus eingesetzt worden, obwohl bekannt geworden war, dass Barros einen berüchtigten Pädophilen beschützt hatte. 75 Namen von chilenischen Priestern in Chile führt die Nicht-Regierungs-Organisation „Bishop Accountability“ in ihrer Kartei von Pädophilie-Verdächtigen.
Außerdem befindet sich Chile in einem politischen Transitionsprozess: Im März wird der Konservative Sebastián Piñera die Regierung übernehmen, allerdings ohne eigene Parlamentsmehrheit. Darum dürfte es ihm nicht leicht fallen, Beschlüsse der scheidenden Mitte-Links-Koalition zu revidieren, wie etwa die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften oder Abtreibungen, wenn der Fötus schwer geschädigt oder Folge einer Vergewaltigung ist.

Den ersten seiner drei Besuchstage in Chile wird Franziskus in der Hauptstadt verbringen, wo er die scheidende Präsidentin Michelle Bachelet treffen wird. Danach steht eine Massenmesse im weitläufigen Parque O'Higgins auf dem Program. Vorgesehen ist zudem ein Besuch im Jesuitenkolleg, wo Franziskus als Student zwischen 1959 und 1960 Latein, Griechisch, Geschichte und Literatur paukte.

Am Mittwoch reist der Papst dann in die südliche Stadt Temuco weiter, das Zentrum des zeitweise gewalttätigen Konfliktes mit den Mapuche. Radikale Organisationen, die im Namen des Urvolkes agieren, verübten dort immer wieder Brandanschläge auf Kirchen, die sie als Symbole des Raubes ihres Landes ansehen. Vorige Woche detonierten drei Sprengsätze in drei Gebetshäusern in der Hauptstadt.

Die dritte Megamesse wird der Pontifex am Pazifik halten, am weitläufigen Strand der Wüstenstadt Iquique im extremen Norden des Landes. Auch dort gibt es Konfliktpunkte. Der Hafen war im letzten Jahrzehnt ein Magnet für Menschen aus Kolumbien: Die Einwanderung wird in Chile ähnlich kontrovers diskutiert wie in Europa, was bei der Präsidentschaftswahl im November wohl auch zum Sieg des konservativen Sebastián Piñera beitrug.
Zudem liegt Iquique in jener Küstengegend, die Chile nach dem Salpeterkrieg 1884 dem Nachbarland Bolivien abgenommen hat.

Franziskus hat in der Vergangenheit Sympathien für Boliviens Forderungen auf die Rückgabe des Seezugangs geäußert. Bei seinem Bolivien-Besuch im Jahr 2015 sagte der Papst: „Ich denke an das Meer!“, was nicht nur Präsident Evo Morales als Unterstützung seiner Causa deutete. Auch wenn der Vatikan später klarstellte, in der Streitfrage zwischen den katholisch geprägten Ländern als Vermittler zur Verfügung zu stehen, zweifeln nun viele Chilenen an der neutralen Position des Heiligen Vaters.
Am Donnerstag reist Franziskus dann nach Peru weiter. Argentinien, sein Heimatland, wird der Papst auf dieser Reise aber nicht besuchen.

(APA)

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