In Chile verteidigte Franziskus einen Erzbischof, der jahrelang die Vergewaltigung von Kindern durch einen Priester gedeckt haben soll. In Peru wollte er sich der Umwelt widmen.
Buenos Aires/Santiago/Lima. „Durchatmen!“ Nach Salz roch die feuchte Luft auf dem Aeropuerto Jorge Chávez, vom nahen Hafen wehte eine leichte Brise, als Papst Franziskus am späten Donnerstagnachmittag die zweite Station seiner diesjährigen Südamerika-Reise antrat. Auf dem Weg zu seinem Quartier in der Nuntiatur waren die Straßen von Perus Hauptstadt, Lima, gesäumt mit Gläubigen, wie es Franziskus von all seinen vorherigen Besuchen auf dem Heimatkontinent gewohnt war. Bis er das Fiasko in Chile erlebte.
In Chile, das er seit seinen Studientagen vor 60 Jahren gut kennt, wollte der Pontifex für die Rechte der indigenen Bevölkerung eintreten, für den Umweltschutz und gegen die Diskriminierung von Einwanderern. Aber wo Franziskus auftauchte, abflog und ankam, gab es nur ein Thema: den Umgang seiner Kirche mit pädophilen Priestern und deren Opfern. Schon im Vorfeld der Visite wusste der Papst, wie sehr dieses Thema im Andenland gärt. Noch vor wenigen Jahren hatten sich mehr als 70 Prozent der Chilenen zur römischen Kirche bekannt, doch in einer Umfrage 2017 waren dazu nur noch 45 Prozent bereit. Nach der Landung konnte Franziskus die Auswirkungen erleben, als die Fahrtstrecke seines Papamobils nicht viel mehr säumte als leere Absperrungen. Nirgends zuvor war dem Papst so viel Gleichgültigkeit entgegengebracht worden.
Zur Abschlussmesse vor den Sanddünen der Wüstenstadt Iquique kam nur ein Achtel der geplanten 400.000 Pilger. Die Organisatoren, von Sicherheitsbedenken geplagt, ließen nur Menschen in die Messen, die sich im Internet registriert hatten. So haben sie den Zugang für jene Ausgegrenzten versperrt, denen sich dieser Papst am liebsten widmet.
Für dieses Fiasko war Franziskus nicht direkt verantwortlich. Für den anderen, weit schwerwiegenderen Skandal aber schon: Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt, im Regierungspalast La Moneda am Dienstag, sprach er von „Schmerz und Scham“ hinsichtlich des „irreparablen Schadens, der Kindern durch Würdenträger der Kirche“ zugefügt wurde. Doch diese Entschuldigung konnte nicht beruhigen – denn sie widersprach den Taten des Papstes.
„Bis dahin ist alles Verleumdung“
Denn Juan Barros (61) wurde am 15. Jänner 2015 zum Erzbischof der südchilenischen Diözese Osorno ernannt, obwohl massive Vorwürfe im Raum standen. Er soll den Missbrauch gedeckt haben, der viele Jahre lang durch Priester Fernando Karadima verübt wurde. Nachdem sich mehrere Opfer in die Öffentlichkeit gewagt hatten, wurde Karadima 2011 mit Berufsverbot belegt. Barros war Karadimas Assistent und soll, so beteuern Opfer, bei den Schandtaten anwesend gewesen sein. Dass Franziskus sich nicht nur weigerte, Barros abzusetzen, sondern sich von diesem auch begleiten ließ, sorgte für Empörung – vor allem bei den Opfern. Der Arzt James Hamilton, der 2007 die Causa ins Rollen gebracht hatte, sagte: „Das offenbart eine unbekannte Seite des Papstes.“ Franziskus, des Disputs überdrüssig, sagte nur: „Am Tag, an dem sie mir einen Beweis gegen Bischof Barros liefern, werde ich handeln. Bis dahin ist alles Verleumdung.“
In Peru, wo die Sicherheitsvorkehrungen laxer sind, darf Franziskus auf ein versöhnliches Ende der Reise hoffen. Von Präsident Pedro Pablo Kuczynski, dem Sohn eines polnisch-jüdischen Tropenmediziners, wurde er auf dem Flughafen mit großer Erwartung empfangen. Der Pontifex soll helfen, das Land zu befrieden, nachdem der Staatschef mit der umstrittenen Amnestie für den Ex-Präsidenten Albero Fujimori eine politische Krise ausgelöst hat. Franziskus flog am Freitag als erster Papst ins Amazonas-Gebiet, um gegen die „ausufernde Goldgier“ und Umweltzerstörung zu predigen.
AUF EINEN BLICK
Papst Franziskus besucht seit Montag Südamerika. Nach einem dreitägigen Aufenthalt in Chile traf er nun in Peru ein. Vorgesehen ist ein Treffen mit Vertretern der indigenen Amazonas-Völker in Puerto Maldonado in der Provinz Madre de Dios. Dort wird Franziskus die Umweltzerstörung in Augenschein nehmen, die die Existenz der Ureinwohner gefährdet. „Die Bewahrung der Schöpfung und die Achtung der Urbevölkerung“ liegen dem Papst besonders am Herzen. Für kommendes Jahr hat er eine Bischofssynode für das Amazonas-Gebiet einberufen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2018)