Dass Franziskus auch bei seiner sechsten Transatlantik-Visite Argentinien auslässt, habe politische Gründe, sagen Insider.
Buenos Aires. Was ist die wohl richtige Überschrift zur aktuellen Pastoralreise des Pontifex maximus? „Der Papst besucht Chile und Peru“? Oder doch „Er kommt nicht nach Argentinien“? So jedenfalls titelte in Buenos Aires die größte Tageszeitung, „Clarín“. Während Franziskus zum bereits sechsten Mal den Atlantik überquerte, fragt sich die katholische Welt, warum der Papst nicht in das Land zurückkehren will, dessen Nachrichten er täglich mit größter Aufmerksamkeit verfolgt, wie enge Vertraute versichern.
Brasilien 2013, Ecuador, Bolivien, Paraguay 2015, im selben Jahr Kuba, 2016 Mexiko, im Vorjahr Kolumbien und nun Chile sowie Peru. Jorge Bergoglio hat Lateinamerika fast durch. Es fehlen noch Mittelamerika, einige Karibik-Republiken, das verheerte Venezuela sowie Uruguay und das Land, in dem er 76 Jahre gelebt hatte, ehe weißer Rauch aufstieg. Seither wird gefragt, warum Franziskus seine Heimat meidet. Offizielle Antworten verweisen auf den engen Terminplan des Oberhirten. Doch Argentiniens Gläubige verstehen immer weniger, warum „ihr“ Papst Zeit für die zentralafrikanische Republik findet, aber für sie nicht.
Alle Lager berufen sich auf Papst
Die Antwort ist, da sind sich alle Papstdeuter einig, eine politische. Die offiziöse Version davon erklärt, der Papst wolle sich nicht von der Tagespolitik seines Heimatlandes vereinnahmen lassen. Diese Deutung ist schlüssig, denn fast alle politischen Lager in dem Land haben sich irgendwann auf Worte oder Gesten des Papstes berufen. Aus dem konservativen Regierungslager etwa der Senator Esteban Bullrich, der gegen Abtreibung wetterte wie die Gouverneurin der Provinz Buenos Aires, María Eugenia Vidal. Die Absolventin der katholischen Universität kombiniert aktive Sozialpolitik mit der Bekämpfung der Mafia in Polizei und Justiz.
Aber auf Franziskus beruft sich auch eine Reihe lautstarker Peronisten, die mit auffallender Regelmäßigkeit nach Rom pilgert. Auch linksalternative Führer verbreiten ihre Thesen im Namen des wohl mächtigsten Argentiniers aller Zeiten. Lange ließ Bergoglio das zu, ehe die Bischofskonferenz im Dezember eindeutig klarstellte: „Niemand hier spricht im Namen des Papstes.“
Klar ist: Das Verhältnis zwischen argentinischem Papst und Argentiniens Präsidenten ist verbesserungsbedürftig. Die erste offizielle Visite von Mauricio Macri im Vatikan endete 2016 nach 20 Minuten. Schmale Lippen und einen ernsten Blick dokumentieren die Fotografen im Gesicht eines Papstes, der lächelnd die Welt gewann.
Dass Argentiniens Staatsoberhaupt aus einem Unternehmerhaushalt stammt, der Milliarden durch nicht immer transparente Geschäfte mit der öffentlichen Hand gescheffelt hat, mag ein Grund für Franziskus' Vorbehalte sein. Ein anderer liegt wohl in Macris schon als Hauptstadtbürgermeister demonstriertem Desinteresse für Herzensanliegen des ehemaligen Erzbischofs.
Obwohl die Dienstbüros der zwei Leitfiguren jahrelang nicht mehr als 100 Meter voneinander entfernt lagen, und obwohl beide den damals regierenden Kirchners voller Abneigung gegenüberstanden, kam es zu keiner Annäherung. Als die Kirchners die Schwulen-Ehe erlaubten, protestierte Macri ebenso wenig wie gegen die Lockerung des bislang rigiden Abtreibungsverbotes. Zuletzt missfielen dem Papst, hieß es, die neuerliche Auslandsverschuldung des Landes, die marktorientierten Reformen und der Sparkurs einer Regierung, die zur Budgetsanierung Pensionen von Alten und Behinderten kürzte. Man kann das glauben, denn Franziskus hat sich oft genug kritisch zum internationalen Finanzsystem geäußert und soziale Ungleichheit angeprangert.
Keine Heimkehr zu erwarten
Da die Peronisten, deren Bewegung Bergoglio seit seiner Jugend verbunden ist, tief zerstritten sind, dürften die Aussichten auf einen Machtwechsel 2019 sehr trüb sein. Und dass der Oberhirte der katholischen Christenheit dazu herabsteigt, die Kabale in der „Gerechtigkeitspartei“ zu beenden, glauben noch nicht einmal die peronistischsten aller Papstdeuter. Darum dürfte auch im kommenden Jahr keine Heimkehr des Heiligen Vaters zu erwarten sein.
Reiseprogramm
Chile. Papst Franziskus landete am Montag kurz nach Mitternacht in Santiago de Chile. Im Fokus der 22. Auslandsreise des Pontifex stehen Begegnungen mit Indios und Migranten.
Peru. Von Donnerstag bis Sonntag hält sich der Papst in Peru auf. Auf dem Programm stehen: Lima, dann fährt er weiter ins Amazonasgebiet, wo illegaler Bergbau die Lebensgrundlage der Indios zerstört, und in die nördliche Küstenstadt Trujillo. Auf dem Programm stehen neben zahlreichen Gottesdiensten auch Treffen mit den jeweiligen Staatschefs.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2018)