Semperit muss sich neu erfinden

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Konzernchef Martin Füllenbach stellt alle Werke und die Sparten auf den Prüfstand. Die Dividende für 2017 entfällt. 2020 soll der Umbau abgeschlossen sein.

Wien. „Das Unternehmen ist noch nicht im Heute angekommen und für morgen nicht aufgestellt.“ Das sagte Semperit-Chef Martin Füllenbach im September, nach drei Monaten an der Konzernspitze. Jetzt, ein halbes Jahr später, nach einem intensiven Analyseprozess, zu dem er McKinsey an Bord geholt hat, liegt der Kassasturz vor. Und der fällt alles andere denn erfreulich aus: „Auf Basis der vorliegenden Ergebnisse des laufenden Analyse- und Tranformationsprozesses leitet der Vorstand mit Nachdruck eine Phase nachhaltiger Restrukturierung ein“, ließ der Konzern ad hoc wissen.

Alle 22 Werke in den vier Sparten Sempermed (Untersuchungshandschuhe), Sempertrans (Förderbänder), Semperform (Profile, Rolltreppenhandläufe) und Semperflex (Schläuche) werden auf Profitabilität abgeklopft. „Dabei bleibt kein Stein auf dem anderen“, sagt Füllenbach zur „Presse“. Nachdem ein defizitäres Werk von Sempertrans in Frankreich schon zugesperrt wurde, könne er weitere Werksschließungen nicht ausschließen. Damit wird auch eine Reduktion des Personalstands verbunden sein, wobei allerdings der Jobabbau nicht im Vordergrund steht. Die Semperit-Gruppe beschäftigt weltweit 6500 Mitarbeiter, davon rund 3500 in Asien und mehr als 800 in Österreich (Wien und Wimpassing). Der Gummi- und Kunststoffkonzern hat schon lang nichts mehr mit der gleichnamigen Reifensparte zu tun, die in Traiskirchen angesiedelt war und abgespalten worden ist.

Ertragsstärke im Vordergrund

„Profitabilität ist alles“, postuliert Füllenbach. Die Neuausrichtung könnte daher über Werksschließungen hinausgehen – mit dem Verkauf einer Sparte. Das Sorgenkind ist just die Handschuhsparte, die 40 Prozent des Umsatzes ausmacht. Noch unter Füllenbachs Vorgänger Thomas Fahnemann wurde das Joint Venture mit dem thailändischen Produktionspartner Sri-Tang beendet. Das brachte 2016 Belastungen, 2017 positive Sondereffekte von rund 85 Mio. Euro. Allerdings läuft auch die Produktion in Malaysia, die Semperit mit der 2012 übernommenen Latexx Partners betreibt, nicht rund. „Wir haben die Probleme in der Fertigung inzwischen im Griff“, sagt Füllenbach. Untersuchungshandschuhe werden ausschließlich in Malaysia, Operationshandschuhe nur in Wimpassing produziert. Bei Sempermed geht es generell um das Geschäftsmodell, das Füllenbach einer „intensiven Prüfung“ unterzieht. „Die Konkurrenz ist viel profitabler.“

Viel Zeit gibt es nicht, um den Abwärtsstrudel zu bremsen: 2020 soll die Restrukturierung abgeschlossen und eine Ebitda-Marge von zehn Prozent erreicht sein. 2016 lag sie bei 9,1 Prozent. Schon 2016 gab es rote Zahlen (minus 8,8 Mio. Euro). 2017 dürfte der Verlust deutlich höher ausgefallen sein, im April und Oktober gab es Gewinnwarnungen. Im dritten Quartal lag das Minus inklusive Sondereffekte bei 16,4 Mio. Euro, im ersten Halbjahr bei minus 7,9 Mio. Euro. Die Aktie spiegelt das wider, sie verlor seit Anfang 2017 ein Fünftel ihres Werts. Am Donnerstag rasselte der Kurs um 6,5 Prozent hinab.

Füllenbach streicht die Dividende, die für 2016 trotz Verlusts 70 Cent betragen hatte. Seit 2008 pendelt die Dividende zwischen 0,7 und sechs Euro (2014 inklusive Sonderausschüttung). In diesen Jahren gab es zweistellige Nettogewinne. Davon hat vor allem der Kernaktionär, die B&C Industrieholding, profitiert. Über ihr steht die B&C Privatstiftung mit Bank Austria und Creditanstalt als Stiftern. Die B&C Holding hat Semperit im Dezember Hybridkapital über 150 Mio. Euro zur Finanzierung aller Maßnahmen gegeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2018)

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