Semperit-Boss stellt Konzern komplett „in Frage“

Die Handschuh-Sparte ist ein „Kopfschmerzthema“
Die Handschuh-Sparte ist ein „Kopfschmerzthema“(c) imago/Westend61 (imago stock&people)
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Der Gummiverarbeiter rutschte 2017 tiefer in die Verlustzone und streicht die Dividende.

Wien. Zwei Gewinnwarnungen und die Ankündigung, dass die Dividende entfällt, haben die Aktionäre vorgewarnt: Der Gummikonzern Semperit befindet sich in einer schweren Krise, wie nun die Zahlen für 2017 zeigen: Bei einem Umsatz von 874 Mio. Euro (plus 2,6 Prozent) gab es einen Nettoverlust (inklusive Sondereffekte) von 43,3 Mio. Euro – nach 15,2 Mio. Euro Gewinn 2016. Das bereinigte Betriebsergebnis (Ebit) sackte von 41,1 auf minus 0,8 Mio. Euro ab.

Semperit-Chef Martin Füllenbach, der im Juli 2017 das Ruder vom – bei der Hauptversammlung nicht entlasteten – Thomas Fahnemann übernommen hat, stellt daher den gesamten Konzern auf den Prüfstand. „Ich stelle alles in Frage“, sagte er am Freitag.

Das heißt: Füllenbach hat nach einem intensiven Analyseprozess, für den er Berater McKinsey holte, ein umfangreiches Transformationsprogramm aufgesetzt, das bis 2020 umgesetzt wird. Es geht um mehr Kosteneffizienz und schlankere Produktionsabläufe, um mehr Profitabilität, um eine moderne und schlagkräftige Einkaufsorganisation. Also faktisch um alles. Und noch mehr: „Wir haben in manchen Bereichen einen hohen einstelligen Prozentsatz an Ausschuss, das kostet viel.“ Und: „Die Unfallzahlen übersteigen in manchen Werken jene auf einer Ölplattform.“ Das seien alles lange zurückreichende Probleme, sagte Füllenbach. Eine Veränderung werde nicht von heute auf morgen gehen. Und nicht ohne schmerzhafte Schnitte: Ob alle 16 Werke, die nicht auf dem letzten Stand seien, überleben, sei ebenso unsicher, wie der Konzernchef auch nicht ausschließt, sich von einer ganzen Sparte zu trennen.

Da steht die Handschuh-Sparte im Rampenlicht: Just die einstige Perle und der größte Umsatzbringer ist ein „Kopfschmerzthema“. Da helfe auch nicht der Ausstieg aus dem Joint Venture in Thailand (unter Fahnemann) und das neue Werk in Malaysia. Das Ebit rutschte im Vorjahr von minus 10,1 auf minus 12,1 Mio. Euro.

Bei Sempermed, wo Produktion und Vertrieb zu kompliziert liefen, planen Füllenbach und Finanzchef Frank Gumbinger die härtesten Schnitte. Auch bei der Förderbandsparte (Sempertrans) besteht Handlungsbedarf: Da fiel das Ebit von plus zwölf auf minus neun Mio. Euro. Während die Entwicklung bei Semperform (Profile, Rolltreppenhandläufe) „ermutigend“ sei, mache die Semperflex (Schläuche) „wirklich Spaß“. An dieser Sparte werde ebenso wie am Werk Wimpassing nicht gerüttelt.

„Ich fühlte mich auf die Aufgabe ausreichend vorbereitet“, meinte Füllenbach auf die Frage, ob der Aufsichtsrat ihn über die Probleme ausreichend informiert habe. Der Semperit-Hauptaktionär, die B&C Holding, die 150 Mio. Euro Hybridkapital für die Sanierung bereitgestellt hat, nimmt den Konzern jetzt stärker an die Kandare: Aufsichtsratsboss Veit Sorger wird von B&C-Geschäftsführer Christoph Kollatz abgelöst. (eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2018)

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