Nur knapp wurde Staatsoberhaupt Miloš Zeman am Wochenende in seinem Amt bestätigt. Während Anhänger des polternden Politikers jubeln, macht sich bei seinen Gegnern Verzweiflung breit.
Prag. Als Miloš Zeman auf dem Weg zum Begießen seines Sieges ist, trifft er auf Vorgänger Václav Klaus, der ihm gratuliert. Beide sind Brüder im Geiste, Klaus hat Zeman in der Stichwahl um das Präsidentenamt unterstützt. Im kurzen Gespräch sagt Zeman, er erwarte, dass das „Prager Kaffeehaus“ - eine abschätzige Bezeichnung für Tschechiens kritische Elite - „jetzt endlich die Klappe hält“. Zur selben Zeit, an einer anderen Stelle des Hotels, gehen Leute aus Zemans Stab auf Fotografen und Kameramänner los, reißen ihnen die Technik aus den Händen und schlagen mit Fäusten zu. Zemans Sprecher meint dazu nur: „Das interessiert mich nicht.“
„Einfach die Tür zuknallen“
Bei Zemans Gegnern auf Facebook macht sich derweil Verzweiflung breit. Manche vergleichen das Ereignis mit dem Ende des Prager Frühlings 1968 und der folgenden ideologischen Gleichschaltung, sprechen von „innerer Emigration“, in die sie sich – wie damals – auch jetzt wieder begeben wollten. „Einfach nur raus ins Wochenendhäuschen und die Tür hinter sich zuknallen.“ Sogar von „Auswandern“ ist die Rede.
Später kommen nachdenklichere Kommentare: Herausforderer, Jiří Drahoš, sei zu lasch gewesen; unfähig, Zemans Lügenkampagne über den angeblichen „Willkommens-Präsidenten“ für „muslimische Terroristen“ etwas entgegenzusetzen. Sich nur als „Anti-Zeman“ zu begreifen, habe nicht gereicht. Die Anhänger des knapp für eine zweite fünfjährige Amtszeit auf der Prager Burg wiedergewählten Präsidenten dagegen jubeln und überschütten ihre Gegner mit Häme. Zeman kam am Wochenende auf 51,36 Prozent der Stimmen, Drahoš auf 48,63 Prozent.
Die Szenen nach Zemans Sieg belegen die „tiefe Zerrissenheit der Gesellschaft“, schreibt Petr Honzejk, Chefkommentator der „Hospodářské noviny“. Für ihn und andere Beobachter hat beim „Referendum über Zeman“ der weit verbreitete „Frust“ gewonnen. Frustüber die Entwicklung seit 1989, über die „Eliten“, die ihre Versprechen vom raschen Wohlstand nicht eingehalten hätten. „Dabei übersehen diese Frustrierten, dass ihr Kandidat Zeman genau zu diesen Eliten gehört hat, viele Jahre an wichtiger Stelle.“
Gegen Merkel und Brüssel
Freilich hat Zeman in dieser Zeit auch zahlreiche Wendungen vollzogen. Heute ist er für die Hälfte des Landes der Heilsbringer, weil er – wie seine Wähler – gegen etwas ist. Gegen die EU, gegen die Bevormundung aus Brüssel, gegen die Migrationspolitik Merkels, gegen die westlich liberale Demokratie, gegen die etablierten Parteien. Zeman hat im zweiten Wahlgang zusätzlich massiv Stimmen aus dem fremdenfeindlichen Lager von Tomio Okamura bekommen. Wie er generell von den Wählern der Parteien unterstützt wurde, die schon bei den Parlamentswahlen „Protest“ gewählt hatten. Die haben im Abgeordnetenhaus die klare Mehrheit. Und sie haben ihren „Protest“ auch jetzt bekundet.
Darunter sind vor allem auch Wähler der gegen das Establishment gerichteten Bewegung ANO des Premiers Andrej Babiš. Er hat es im ersten Anlauf nicht geschafft, das Vertrauen des Parlaments für eine Minderheitsregierung zu bekommen. Babiš steht im Verdacht, EU-Subventionen erschlichen zu haben, die seinem Großkonzern Agrofert nicht zustanden. Er regiert jetzt kommissarisch, versucht mit Beistand Zemans ein mehrheitsfähiges Bündnis zu schließen. Das soll nach Zemans Willen von Rechts- wie Linksaußen toleriert werden. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht.
Eine Prager Zeitung meinte vor der Stichwahl, die Menschen beruhigen zu müssen. „Großmutter würde in ihrer Weisheit sagen: Keine Panik, Jungchen, Brot wird es auch morgen noch geben“. „Ja“, antwortete ein Leser, „aber wir leben nicht vom Brot allein.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2018)