Mikl-Leitners Taktik: Absolut tiefgestapelt

Sobotka, Mikl-Leitner, Pröll, Kurz
Sobotka, Mikl-Leitner, Pröll, KurzAPA/HELMUT FOHRINGER
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Bescheiden bei den Wahlzielen, selbstsicher in der Kampagne: Die Taktik der niederösterreichischen Volkspartei zeigte Wirkung. Die Partei jubelte am Sonntag über die absolute Mehrheit im Landtag.

St. Pölten. Johanna Mikl-Leitner wäre wohl zu lang gewesen, aber zum Glück hat die Landeshauptfrau einen Spitznamen: „Hanni“ halten die Funktionäre in großen Kartonbuchstaben in die Höhe. Und die Menge, hier im Cityhotel in St. Pölten, liefert die passenden Sprechchöre dazu, als die „Hanni“ einzieht: Mit beiden Daumen in der Höhe, zum Takt der Musik, tanzt Mikl-Leitner um acht Uhr abends regelrecht in die Wahlparty der ÖVP-Niederösterreich.

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„Das Wir, das Miteinander hat heute gewonnen“, ruft sie von der Bühne aus – und die Menge jubelt. „Ich verspüre sehr viel Dankbarkeit für den Vertrauensvorschuss der Wähler.“ In den letzten Wochen habe man schon gemerkt: „Die Stimmung ist eine gute.“ Aber heute, mit einer absoluten Mehrheit, „ist es ein überwältigendes Ergebnis“. Das Ziel, die stärkste Landespartei zu werden, „haben wir bei Weitem erreicht“. Die Arbeit beginne am Montag – „aber der Wahlsonntag wird jetzt gefeiert.“ Die Funktionäre springen in die Höhe, liegen sich in den Armen, schreien und schlagen die Fäuste aufeinander.

Schon eineinhalb Stunden zuvor war Stimmung gemacht und gefeiert worden, dieses Mal für den Einzug von Sebastian Kurz: Als der ÖVP-Chef eintrifft, jubelt der Moderator von der Bühne runter: „Miteinander, Miteinander!“ Die Menge antwortet: „Niederösterreich!“ Mit einem lang gezogenen „Ohh“-Ruf machen sie noch die Welle. „Du hast das Unglaubliche geschafft und die Absolute Verteidigt – das ist beeindruckend“, wird Kurz später zu Mikl-Leitner sagen.

Taktische Bescheidenheit

Absolute oder nicht? Das war seit Wochen die Frage hier in Niederösterreich. Laut gestellt hatte sie die ÖVP aber nie, sondern immer nur hinter vorgehaltener Hand. „Schauen Sie sich um: Heutzutage sind absolute Mehrheiten nicht mehr zu erreichen“, sagte Mikl-Leitner selbst noch in den Tagen vor dem Wahlsonntag. 45 Prozent der Stimmen wären laut Mikl-Leitner jedenfalls „sensationell“, wie sie immer betonte.

Das sagte sie natürlich nicht aus Bescheidenheit, sondern aus taktischen Gründen: Sollten die Stimmen am Ende doch nicht reichen, müsste man sich so keine Niederlage vorwerfen lassen. Würde das Ziel am Ende aber doch erreicht, könnte die Partei einen Überraschungssieg feiern. So ging man auf Nummer sicher – bis zum Wahlsonntag eben. Eine strikt organisierte Partei wie die niederösterreichische ÖVP verzeiht (sich) keine Fehler.

Und noch viel weniger hätte sich Mikl-Leitner selbst einen groben Schnitzer verziehen. Immerhin arbeitete sie seit Jahren auf diesen Wahlkampf, auf diesen Wahlsonntag hin. Schon lang stand fest, dass sie ihren politischen Ziehvater Erwin Pröll in Niederösterreich beerben sollte. Es war der erste Urnengang seit rund einem Vierteljahrhundert, der ohne den langjährigen Landeshauptmann stattfand. Dementsprechend groß war auch der Druck auf Prölls Nachfolgerin. Als es vergangenen April tatsächlich so weit war, und Pröll offiziell zurücktrat, war die Wahlkampfmaschinerie schon voll im Gange. Und Mikl-Leitner vollzog einen Imagewechsel.

Die Jahre als harte, kantige Innenministerin in Wien sollten in Niederösterreich nämlich vergessen werden. In der Regierung noch für ihre markigen Sprüche und harten Ansagen bekannt, wurde Mikl-Leitner betont sanfter. Statt der Asylagenden übernahm sie in Niederösterreich lieber Kultur und Gemeinden. So musste sie sich nicht mehr in erster Linie mit harten Themen konfrontieren. Sondern konnte das Bild der Landesmutter weiter ausbauen. Mikl-Leitner wiederholte fast mantraartig, dass sie in Niederösterreich auf ein neues, harmonisches Miteinander setze. Auch mit den politischen Mitbewerbern.

Kurze Kampagne

Und auch das gehörte zu einem Großteil zur Taktik. Denn hinter der Forderung eines fairen, kurzen Wahlkampf, den die ÖVP verkündete, steckte auch eine beinharte Strategie: Nachdem der Wahltag festgelegt wurde, blieb den anderen Parteien wenig Zeit, den Bekanntheitsgrad ihrer Spitzenkandidaten zu erhöhen. Die SPÖ kämpfte mit Franz Schnabl und auffälligen Plakaten um Aufmerksamkeit. Die FPÖ mit Udo Landbauer mit Angriffen gegen die Landeshauptfrau.

Am Ende wurde der Freiheitliche aber bekannter, als es der Partei wohl lieb war: Immerhin forderte nur zwei Tage vor dem Urnengang Bundespräsident Alexander Van der Bellen Landbauers Rücktritt (siehe Artikel rechts). Und Mikl-Leitner verkündete daraufhin, kein Arbeitsübereinkommen mit ihm schließen zu wollen. Das war einer der wenigen Momente, in dem sie scharf gegen den Mitbewerber vorging. Die Causa dürfte ihr am Wahltag zusätzlich geholfen haben.

20.000 Wahlhelfer

Die harmonische Landeshauptfrau, dieses Image funktionierte vor allem wegen der stramm durchgeplanten Kampagne. Immerhin investierte die Niederösterreichische ÖVP ganze sechs Millionen Euro in den Wahlkampf. So bescheiden das Wahlziel offiziell war, so selbstsicher zog die Partei in den Wahlkampf: Die ÖVP kündigte an, jeden Haushalt im Bundesland besuchen zu wollen. 20.000 Funktionäre warben insgesamt für die Partei.
Einer davon war übrigens auch Pröll selbst, der im Wahlkampf eingesetzt wurde. Er gratulierte Mikl-Leitner „aus tiefstem Herzen und mit ganz, ganz großer Freude“. Er sprach von einem bravourösen und fehlerfreien Wahlkampf“. Er selbst hatte bei seiner ersten Wahl im Jahr 1993 übrigens noch 44,2 Prozent erreicht – bei seiner letzten im Jahr 2013 noch 50,8 Prozent.

(Presse-Print, 29.01.2018)

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