Droht Liechtenstein ein Exodus der Stiftungen?

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Das Fürstentum gilt als Top-Standort für Privatstiftungen. Es ist aber eine Debatte über Fehlentwicklungen entbrannt.

Wien. Hält der Stiftungsstandort Liechtenstein nicht mehr, was er verspricht? Knapp zehn Jahre, nachdem dort das Stiftungsrecht reformiert wurde, ist darüber eine heftige Diskussion entbrannt. „Unzufriedene Stimmen häufen sich“, sagt Rechtsanwalt David Christian Bauer, Country Managing Partner im österreichischen Büro von DLA Piper. So mancher Mandant überlege bereits, dem Standort den Rücken zu kehren. „Und wenn die Absetzbewegung einmal Fahrt aufnimmt, ist sie nicht mehr zu stoppen.“ Das betreffe auch österreichische Unternehmer und Familien – gerade für diese habe der Standort Liechtenstein an sich große Bedeutung.

Was ist der Grund für das Unbehagen? An der Rechtslage liege es nicht, sagt Bauer. Ganz im Gegenteil – das liechtensteinische Stiftungsrecht biete erfreuliche Flexibilität und Rechtssicherheit. Vielmehr gehe es um Fehlentwicklungen bei der Anwendung: „Wenn das Instrument im Eigeninteresse von Verwaltern eingesetzt wird, versagen seine positiven Eigenschaften.“

An und für sich ist Liechtenstein ein höchst attraktiver Standort für Stifter. Nicht mehr aus steuerlichen Gründen – Liechtenstein nimmt inzwischen am Informationsaustausch teil. Die Zahl der dort ansässigen Stiftungen hat sich seither stark reduziert: Über 50 000 seien es im Jahr 2008 gewesen, nur noch knapp 16 000 Ende 2016, berichtet die „Basler Zeitung“. Diejenigen, die geblieben sind, schätzen jedoch das dortige Rechtsregime: Dieses gesteht Stiftern und Begünstigten weitgehende Einflussrechte zu – anders als in Österreich.

Muss der Gesetzgeber eingreifen?

Laut Bauer häufen sich in der Praxis jedoch die Beschwerden: Eingriffsrechte von Stiftern würden nur halbherzig beachtet, Begünstigten nichtssagende Auskünfte gegeben, einzelne Familienstämme grundlos bevorzugt. Es würden sogar Stiftungen ohne Begünstigte fortgeführt, die im Wesentlichen nur noch Stiftungsorganen und Beratern ein Einkommen verschaffen. Auch suboptimale Vermögensveranlagung komme vor. Und selbst die Gerichte würden manchmal Anlass für Unmut geben – etwa, wenn Abberufungen von Stiftungsräten viel zu lange dauern.

Ein Artikel, den Bauer darüber in einer liechtensteinischen Zeitung („Liechtensteiner Vaterland“) geschrieben hat, heizte die Debatte an. Es gab positive Reaktionen, aber auch scharfe Kritik: Die Liechtensteinische Treuhandkammer ortete einen Versuch, dem Ruf des Finanzplatzes zu schaden. Bauer verwahrt sich dagegen: Er sorge sich über Entwicklungen, die den Standort gefährden könnten. Es liege an der Beratungsbranche und den Gerichten, ihre Kontrollmechanismen zu schärfen, und nötigenfalls am liechtensteinischen Gesetzgeber, „gewisse Unklarheiten und Wildwuchs“ zu beseitigen.

An diesem Punkt hakt Martin Schauer ein, Professor für Zivilrecht an der Uni Wien. Er hat an der Reform des liechtensteinischen Stiftungsrechts als Regierungsberater mitgewirkt. „Eine Zwischenbilanz knapp zehn Jahre nach Inkrafttreten fällt gemischt aus“, konstatiert er heute. Das Gesetz habe einen „beachtlichen Qualitätssprung“ gebracht, der Erfolg hänge nun aber auch von einer „schrittweisen Bewusstseinsänderung für die Bedürfnisse eines modernen Finanzplatzes“ ab.

Zudem schlägt er – ebenfalls in einem Artikel im „Vaterland“ – legistische Verbesserungen vor: Es fehle etwa an einer klaren Rechtsnorm, wonach (potenziell) Begünstigte über ihre Rechtsstellung zu informieren sind. Wenn sie aber nichts davon wissen, gehen auch ihre Informationsrechte ins Leere.

Kritik übt er zudem an den sogenannten Mandatsverträgen – das sind neben den Stiftungsdokumenten bestehende Vereinbarungen mit dem Treuhandunternehmen, die dem Stifter Weisungsrechte für die Verwaltung der Stiftung einräumen. Laut Judikatur habe das Stiftungsräten ermöglicht, sich weitgehend von ihrer Verantwortlichkeit und Haftung zu befreien, sagt Schauer. „In einem modernen Stiftungsrecht sollte dafür kein Platz sein.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2018)

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