Der schwelende Machtkampf auf den Malediven

APA/AFP/LAKRUWAN WANNIARACHCHI
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Es begann mit einem Putsch 2012 gegen den Präsidenten Mohamed Nasheed. Seither kommt die Inselgruppe im Indischen Ozean nicht zur Ruhe.

Auf den Malediven urlauben Touristen in einer Parallelwelt. Im vermeintlichen Inselparadies im Indischen Ozean ereignen sich Unruhen, Zusammenstöße und Brandanschläge außerhalb ihres Wahrnehmungsfelds in den Luxusresorts. Touristen besichtigen meist nicht einmal Malé, die Hauptstadt der Malediven. Zielstrebig bringen Schnellboote sie unmittelbar nach der Ankunft zu den Atollen, wo sie im kristallklaren Wasser schnorcheln und unter Palmen Cocktails schlürfen - und am Ende der Ferien schnurstracks retour zur Rollbahn.

Jenseits des Idylls vollzieht sich indessen ein zäher Machtkampf zwischen der alten Herrschaftsclique, den Gefolgsleuten des Präsidenten Abdullah Yaheem und den Neuerern der Demokratischen Partei um den gestürzten Präsidenten Mohamed Nasheed, die entweder im Exil sind wie Nasheed selbst oder als Dissidenten im Gefängnis sitzen. Im Schatten des Konflikts erhalten Islamisten, die gegen westliche Auswüchse wettern, gegen Alkohol und angebliche Prostitution, indessen immer mehr Oberwasser.

Darling des Westens

Die Inselgruppe kommt seit Jahren nicht zur Ruhe. Präsident Yaheem, der die Malediven seit 2013 mit eiserner Hand regiert, ordnete nun einen zweiwöchigen Ausnahmezustand an. Er gab den Sicherheitskräften den Befehl, den Obersten Gerichtshof zu stürmen. Und er ließ den ehemaligen Diktator Abdul Gayoom, seinen Halbbruder, und zwei Höchstrichter festnehmen, nachdem das Gericht in eimem Urteil eine Aufhebung der Haftstrafe gegen acht Oppositionelle und eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Nasheed ausgesprochen hatte. Zudem verfügte das Gericht die Wiedereinsetzung von zwölf Abgeordneten, womit der Opposition wieder die Mehrheit im Parlament zufiele.

Der Keim für das aktuelle politische Chaos geht zurück in die Jahre 2012/2013. Beim ordnungsgemäßen Urnengang im Herbst 2013 hatte sich der im Jahr 2012 abgesetzte Präsident Nasheed mit 45 Prozent als klarer Sieger behauptet, bei der Stichwahl galt er als Favorit. Bevor es jedoch zu einem zweiten Wahlgang kam, annullierte das Oberste Gericht aus nichtigen Gründen die erste Runde. Nach Reklamation des drittplatzierten Kandidaten, Gasim Ibrahim, eines schwerreichen Tourismus-Tycoons, beanstandete das Oberste Gericht 5600 Stimmen von Wählern, die mehrfach im Wahlregister eingetragen waren, verstorben sind oder gar nicht existierten. Obwohl westliche Wahlbeobachter keinen Einspruch erhoben, ordnete das Gericht eine Wahlwiederholung an. Aus der Neuwahl ging Yaheem als Sieger hervor.

Im Februar 2012 hatte ein unblutiger Coup Nasheed, den ersten rechtmäßig gewählten demokratischen Präsidenten, der 2008 den Diktator Gayoom nach drei Jahrzehnten von der Macht verdrängt hatte, gestürzt. In einem de facto kalten Staatsstreich verweigerten Polizei und Militär dem Ex-Dissidenten Nasheed, dem schmächtigen Darling des Westens, die Gefolgschaft. Er hatte Weisung gegeben, einen Richter - einen Mann des alten Regimes - festzunehmen.

"Unterwasser-Obama"

Dies war aber nur die Eskalation eines Konflikts mit Ex-Machthaber Gayoom und seinen Günstlingen, die nach wie vor die Schaltstellen in Verwaltung und Wirtschaft besetzt hielten und Nasheed Knüppel zwischen die Füße warfen. Und die alte Garde ist noch lange nicht bereit, die Segel zu streichen. In der Heimat umstritten, ist der öffentlichkeitsbewusste Ozeanograf und Journalist Nasheen im Westen als Mahner gegen den Klimawandel rasch zu Ruhm gekommen, hofiert von Al Gore & Co. und geehrt vom Magazin "Time".

Der Doku-Film "The Island President" brachte "Anni", so sein Spitzname, internationales Renommee ein. Das Inselparadies, kaum zwei Meter über dem Meeresspiegel, sei vom Untergang bedroht, warnte der 50-Jährige bei Reden und Vorträgen vor der UNO und an US-Universitäten in dramatischem Ton: "Wenn wir die Welt retten wollen, schlage ich vor, mit den Malediven zu beginnen."

Der "Spiegel" apostrophierte ihn als "Unterwasser-Obama", weil er einmal eine Kabinettssitzung im Tauchanzug abhielt. Zur Rettung seines Volks lancierte er einst die Idee, ein Stück Land in Südindien oder Sri Lanka zu erwerben. Inzwischen sitzt er im Exil in London, weil er fürchtet - wie andere Oppositionelle - in der Heimat im Gefängnis zu landen. In der britischen Hauptstadt kämpft er um Rehabilitierung, um die Mobilisierung des Westens und um ein politisches Comeback.

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