Frauenvolksbegehren: "Die Situation ist nicht gut"

++ HANDOUT ++ FRAUENVOLKSBEGEHREN - SAMMELN DER UNTERST�TZUNGSERKL�RUNGEN STARTET
++ HANDOUT ++ FRAUENVOLKSBEGEHREN - SAMMELN DER UNTERST�TZUNGSERKL�RUNGEN STARTET(c) APA/FVB/CHRISTOPHER GLANZL (CHRISTOPHER GLANZL)
  • Drucken

Ab Montag werden Unterstützungserklärungen für das zweite Frauenvolksbegehren gesammelt. Gefordert werde die Gleichwertigkeit von Mann und Frau. Die Initiatorinnen kritisieren die Regierung - und die geplante Strafrechtsverschärfung für Sexualstraftäter.

Am kommenden Montag startet in Österreich die Sammlung der notwendigen Unterstützungserklärungen für ein zweites Frauenvolksbegehren. "Fast 21 Jahre nach der ersten Auflage haben wir immer noch eine Benachteiligung der Frauen", erklärte Lena Jäger, Projektleiterin des neuen Frauenvolksbegehrens, am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Salzburg. Und befand knapp: "Die Situation ist nicht gut."

In Österreich gebe es etwa immer noch einen Gender Pay Gap von 25 Prozent. Frauen verdienen demnach gut ein Viertel weniger als Männer. Noch prekärer sei der Unterschied bei den Pensionen: Dort betrage die Differenz mehr als 40 Prozent - weil durch Teilzeitarbeit, niedriges Einkommen und unbezahlte Familienarbeit Frauen oft nur wenig oder nur die Mindestpension bekommen. "Aber mit welchem Recht bezahlen wir die Arbeit an einem Menschen schlechter als die Arbeit an einer Maschine?", fragte Jäger. Dabei drohe sich die Situation in Zukunft ohne Gegenmaßnahmen noch zu verschärfen. Denn im Machtkampf um die knappe Ressource Arbeit seien Frauen automatisch schlechter gestellt.

"Nicht nur Gleichberechtigung, sondern Gleichwertigkeit von Mann und Frau"

"Wir wollen nicht nur Gleichberechtigung, es geht uns um die vollkommene soziale und ökonomische Gleichwertigkeit von Mann und Frau", sagte Jäger. Das Frauenvolksbegehren fordert darum Maßnahmen, die die eklatanten Lohnunterschiede zwischen verschiedenen Arbeitsmarktsegmenten und Branchen eindämmen. Zugleich sollen öffentliche Auftragsvergaben und Förderungen an Aktivitäten zur Gleichstellung im Betrieb gekoppelt werden. Und weil Frauen zu großen Teilen unbezahlte Haus- und Sorgearbeit leisten - und dadurch oft in Teilzeitarbeitsverhältnisse gedrängt werden - ist eine schrittweise Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich eine Forderung.

Die Beseitigung der Einkommensunterschiede ist aber nur ein Ziel des Volksbegehrens. Die Initiatorinnen haben unter Einbindung zahlreicher NGOs und Vereine eine Reihe anderer Forderungen formuliert. So sollen etwa die Hälfte aller Plätze in politischen Gremien in Zukunft von Frauen besetzt werden, gleiches soll für politische Interessenvertretungen, Sozialpartner und die Leitungs- und Kontrollposten in Kapitalgesellschaften und Genossenschaften gelten - unabhängig von ihrer Größe.

Ein "Volksbegehren für die Menschen"

Angestrebt wird ein Verbot von Geschlechterstereotypen insbesondere im Unterricht, ein Verbot sexistischer Werbung und ein vielfältiges Frauenbild in den Medien. Das Volksbegehren will einen staatlich garantierten Anspruch auf Unterhaltsvorschuss (solange Familienbeihilfe bezogen wird) und die Vereinbarkeit von Kinderbetreuungseinrichtung mit einer Vollzeittätigkeit der Eltern. Dazu stoßen Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen und Kinder, die Finanzierung eines zeitgemäßen Sexualkundeunterrichts, die volle Kostenübernahme von Schwangerschaftstests, Verhütungsmitteln und die Möglichkeit von Schwangerschaftsabbrüchen in allen öffentlichen Spitälern.

"Man muss mit den Zielen nicht zu 100 Prozent einverstanden sein. Das Begehren hält Widersprüche aus. Man soll auch unterschreiben, wenn man nur mit fünf oder sechs Forderungen einverstanden ist", sagte Jäger. Zur Unterstützung explizit aufgerufen sind übrigens auch Männer. "Es ist nicht nur ein Volksbegehren für die Frauen, sondern eines für die Menschen."

Heftige Kritik an Regierung

Kritisch bewerteten die Initiatorinnen am Dienstag das Arbeitsprogramm der neuen Bundesregierung - sie orteten hier frauenpolitische Rückschritte. "Der Familienbonus etwa bevorzugt klar klassische Familien. Alleinerzieherinnen können keine Kinderbetreuung mehr absetzen oder fallen wegen geringer Einkommen nicht unter die Begünstigten", sagte dazu Ines Grössenberger, Sprecherin des Salzburger Frauenrats. Auch eine verpflichtende Beratung vor geplanten Schwangerschaftsabbrüchen sei ein Angriff auf die Selbstbestimmung der Frau.

Und auch die aktuell diskutierte Strafrechtsverschärfung für Sexualstraftäter sieht Jäger kritisch. "Gewalt gegen Frauen zu verhindern ist wichtig. Aber höhere Strafen sind nicht die Lösung des Problems. Das Augenmerk sollte vielmehr auf der Gewaltprävention liegen, also in der Frage, warum so etwas passiert." Echter Gewaltschutz benötige auch rechtliche Garantien für Frauenhäuser, Frauen- und Mädchenberatungsstellen und Organisationen, die im Bereich Gewaltschutz und Gewaltprävention tätig seien. "Aktuell wird die Arbeit dieser Organisationen durch undurchsichtige föderale Strukturen und plötzliche Streichung der Mittel erschwert", meinten dazu die Initiatorinnen des Begehrens am Dienstag per Aussendung.

Für die Durchführung des neuen Frauenvolksbegehrens werden ab 12. Februar vier Wochen lang Unterstützungserklärungen gesammelt. Der Zeitraum für die Eintragungswoche ist noch offen. Erstmals wird es auch möglich sein, online mit der digitalen Signatur der Bürgerkarte zu unterschreiben. Das erste Frauenvolksbegehren vor 21 Jahren wurde von 644.665 Personen (11,17 Prozent der Bevölkerung) unterstützt.


>>> zur Website des Frauenvolksbegehrens

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Eva Rossmann (Mitinitiatorin des ersten Frauenvolksbegehrens), Sonja Ablinger (Österreichischer Frauenring), Teresa Havlicek (Frauenvolksbegehren neu) und Maria Rösslhumer (Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser)
Innenpolitik

Frauenvolksbegehren: Rennen um Unterschriften ab 12. Februar

Volle Lohntransparenz, die Hälfte aller Plätze in Politik und Wirtschaft, eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden/Woche - das und mehr fordern die Initiatorinnen. Das erste Frauenvolksbegehren wurde von 644.665 Personen unterstützt.
Eva Rossmann (Mitinitiatorin des ersten Frauenvolksbegehrens), Sonja Ablinger (Österreichischer Frauenring), Teresa Havlicek (Frauenvolksbegehren neu) und Maria Rösslhumer (Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser)
Innenpolitik

Frauenvolksbegehren erreicht 100.000 Euro-Sponsoring

Bisher haben 1722 Personen Geld für das Begehren aufgewendet. Zur Finanzierung der kompletten Kampagnen werden in Summe 300.000 Euro benötigt.
Innenpolitik

Frauenvolksbegehren: FPÖ-Frauen befürchten "Genderideologie" in Schulen

Das geplante Frauenvolksbegehren schießt "weit über das Ziel hinaus", kritisiert Carmen Schimanek: "Buben sollen Buben sein dürfen und Mädchen eben Mädchen."
Rückblick mit Ausblick. Eva Rossmann, Sonja Ablinger, Teresa Havlicek (Frauenvolksbegehren 2.0), Maria Rösslhumer (v. l.).
Innenpolitik

Gleichstellung: Ein Volksbegehren kommt zurück

Anfang 2018 liegt das Frauenvolksbegehren 2.0 auf. Die Forderungen gehen weiter als 1997: vom gesetzlichen Mindestlohn über die 30-Stunden-Woche bis zur Gratisverhütung.
Innenpolitik

"Frauenvolksbegehren 2.0" für Anfang 2018 geplant

20 Jahre nach dem ersten Frauenvolksbegehren hat der Frauenring einen Katalog mit 15 Forderungen präsentiert, mit denen die Lebensrealität von Frauen in Österreich verbessert werden soll.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.