Justitia macht sich die Hände schmutzig

Als Schuss vor den Schweizer Bug mag der Kauf gestohlener Steuerdaten noch so wirksam sein: Unrecht ist nur durch Recht zu bekämpfen.

Frustrierte Bankangestellte, Denunzianten und alle Freunde des schnellen Geldes: Aufgepasst, euch winkt ein Geschäftsmodell. Wegen des Erfolges im Fall Liechtenstein will der deutsche Fiskus jetzt auch für gestohlene Bankdaten aus der Schweiz Millionen zahlen. Er betätigt sich also als Hehler und motiviert Nachahmungstäter. Die könnten ja noch, ergänzend zum Grundgeschäft, die anvisierten Steuersünder erpressen. Aber auch für den Staat ist das Modell ausbaubar, etwa auf Schwarzarbeit. Die polnische Putzfrau des unfreundlichen Nachbarn ist nicht angemeldet? Wär doch fein, wenn der Fiskus auch für zweckdienliche Hinweise dieser Art etwas springen lässt. Solche Zukunftsvisionen drängen sich auf, und um sie zu verscheuchen, wird zu Vergleichen gegriffen, die hinken wie der Teufel mit dem Pferdefuß: Das gezahlte Geld sei ja nur ein „Informationshonorar“, der Dieb ein ähnlich wertvoller Komplize der Justiz wie ein Kronzeuge oder ein V-Mann.

Mit Verlaub, ist er nicht. Aber heiligt der Zweck die Mittel? Liechtenstein hat gezeigt: Ein Schuss vor den Bug, und schon zeigen sich auch notorisch verhandlungsresistente Steueroasen kooperativ. Aber das ist ein Argument aus dem Archiv Machiavellis, das Justitias Waage nicht um einen Millimeter neigt. Ja, es ist Unrecht, dass die Schweizer Steuersünder schützen. Aber wer auf Unrecht mit Unrecht reagiert, verliert seine moralische Legitimation. Haben wir das nicht lange genug den Amerikanern unter die Nase gerieben?


karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2010)

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