Steuersünder: Schweizer Banken zittern

(c) Reuters (Thomas Peter)
  • Drucken

Deutschlands Finanzminister Schäuble dürfte für eine CD mit gestohlenen Daten von Steuersündern 2,5 Millionen Euro zahlen. Das Geschäftsmodell der Schweizer Banken – Diskretion und niedrige Steuern – gerät ins Wanken. Viele Kunden flüchten nach Asien.

Berlin. Einigkeit, Recht und Freiheit – mit den hehren Idealen ihrer Bundeshymne haben die Deutschen seit zwei Tagen ihre liebe Not. Der Auslöser für die akute Verwirrung in Grundsatzfragen ist ein unmoralisches Angebot, das der Fiskus erhalten hat: eine CD mit gestohlenen Daten von 1500 deutschen Bankkunden in der Schweiz, vermutlich zum größten Teil Steuerhinterzieher. Soll der Staat dem anonymen Lieferanten dafür Millionen zahlen? Darüber herrscht große Uneinigkeit, unter Politikern quer durch alle Lager, Kommentatoren, ja sogar unter den deutschen Bischöfen.

Tritt die Regierung die persönliche Freiheitssphäre mit Füßen, wenn sie den Datenschutz missachtet, um mutmaßliche Steuersünder aufzuspüren? Und kann es Recht sein, wenn sich der Staat als Hehler betätigt, der mit gestohlenen Daten Geschäfte macht? Oder handelt er in Notwehr, wenn er das Unrecht hinterzogener Steuermilliarden mit unkonventionellen Mitteln bekämpft?

Eine heikle Entscheidung für Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Doch sollten den Juristen grundrechtliche Zweifel geplagt haben, so hat er sie recht schnell überwunden. Montagmittag, nach einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, ließ er seinen Sprecher die Richtschnur für das weitere Vorgehen verkünden: Nach Klärung rechtlicher Fragen wolle man „auf der Basis des Liechtenstein-Falls zügig entscheiden“.

Steuergeld für geklaute Daten

Damals, vor zwei Jahren, hatte Schäubles Vorgänger, Peer Steinbrück (SPD), in einem ähnlichen Fall beim kleinen fürstlichen Nachbarn der Schweiz grünes Licht gegeben: An die fünf Mio. Euro durfte der Bundesnachrichtendienst einem Exmitarbeiter der LGT-Bank für gestohlene Datensätze zahlen.

Die Rechnung, die der Betriebswirt Steinbrück dabei anstellte, ging auf: Zahlreiche Razzien, Vernehmungen und Urteile folgten. Noch immer sind rund 400 Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Bochum anhängig. Prominentestes Opfer ist der frühere Post-Chef Klaus Zumwinkel, der zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von einer Mio. Euro verurteilt wurde.

Ein gutes Geschäft verspricht auch der Schweizer Deal zu werden. 2,5 Mio. Euro verlangt der Datenlieferant, der Echtheit und Qualität seiner Ware schon mit einer Probelieferung unter Beweis gestellt hat. Jeder der fünf vorab gelieferten Kontoauszüge ergibt Steuernachzahlungen von je einer Million Euro. In Summe erwarten sich die Fahnder zwischen 100 und 200 Mio. Euro an Beute.

Noch mehr versprechen sich die Schatzmeister in Berlin von der indirekten Wirkung ihrer publikumswirksamen Aktion. Schon im „Fall Liechtenstein“ traten die verängstigten Steuerhinterzieher scharenweise die Flucht nach vorn an und erstatteten Selbstanzeige. Und so sehr sich das Fürstenhaus und die Vaduzer Regierung anfangs über den Datenkauf empörten: Seit der Affäre haben sie ihre Blockade von Verhandlungen aufgegeben und kooperieren bei der Verfolgung von Steuerbetrug. Ähnliches erhoffen die Deutschen jetzt auch von den Schweizern.

Freilich klingen die ersten Reaktionen aus Bern ganz anders. Die Regierung verweigert schon im Voraus die Amtshilfe bei allen Nachforschungen, die sich aus angekauftem Diebsgut ergeben. Und sie droht damit, die Verhandlungen über ein neues Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland zu stoppen.

Dennoch ist die Schweiz klar in der Defensive. Die vermögenden Kunden sind verunsichert, aus dem sicheren Hafen wird ein gefährlicher Ort. Am stärksten trifft es die Bank, aus der die Daten gestohlen wurden. Nach ersten Meldungen sollte es sich um die UBS handeln. Am Montag meldete die „Financial Times Deutschland“, das Leck sei bei der Genfer Filiale der britischen Großbank HSBC entstanden, und die Datensätze seien ein Teil jener Beute, die im vergangenen August schon Frankreich angeboten wurden.

Doch wie auch immer: Das gesamte Geschäftsmodell der Schweizer Banken ist in Gefahr. Das zeigt der beginnende Massenexodus amerikanischer Anleger, nachdem die Schweiz die Daten von 4450 UBS-Kunden an die USA ausliefern musste. Innerhalb von 18 Monaten sind aus der größten Schweizer Bank 124 Milliarden Euro abgeflossen, meldet Bloomberg. Konzernchef Oswald Grübel habe in einem Rundmail seine Mitarbeiter darauf eingeschworen, die Kundenflucht „unbedingt“ zu stoppen.

Ein beliebter neuer Zufluchtsort der vermögenden Kunden ist Asien. Vor allem Singapur profiliert sich mit Bankhäusern, die damit werben, keinerlei Verbindung zur Schweiz zu haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

 Ein Flaggenwerfer wirft am 12. Aug. 2007 in Grindelwald eine Schweizer Fahne in die Luft.
International

Experte: "Der Staat ist kein Hehler"

Die Schweiz wirft Deutschland vor im Fall eines Ankaufs der umstrittenen Steuerdaten als "Hehler" zu agieren. Ein Rechtsexperte der "Süddeutschen Zeitung" widerspricht: Von Hehlerei könne keine Rede sein.
Kommentare

Justitia macht sich die Hände schmutzig

Als Schuss vor den Schweizer Bug mag der Kauf gestohlener Steuerdaten noch so wirksam sein: Unrecht ist nur durch Recht zu bekämpfen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.