Berlinale: Da ist der Hund drin

Rasant und waghalsig geht es zu in Wes Andersons „Isle of Dogs“: Ein Bub will seinen Liebling von einer Insel für verstoßene Vierbeiner retten.
Rasant und waghalsig geht es zu in Wes Andersons „Isle of Dogs“: Ein Bub will seinen Liebling von einer Insel für verstoßene Vierbeiner retten. (C) Twentieth Century Fox
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Am Donnerstag startete die Berlinale mit „Isle of Dogs“: Ein Animationsabenteuer mit Hunden – und eine Parabel gegen Populismus. Indes brodelt es um Dieter Kosslicks Nachfolge.

Katzen sollten sich Wes Andersons jüngste Arbeit, „Isle of Dogs“, die am Donnerstag die 68. Berlinale eröffnete, besser nicht ansehen – allzu stereotyp fällt ihre Darstellung darin aus. Wie tückische Teufel hocken sie auf den Schultern fieser Typen, schmähstad und mit hämischem Blick. Aber um Miezen geht es im fein ziselierten Animationsfilm ohnehin nicht: Die Helden hier tragen Namen wie Rex, Duke und Boss. Allesamt Hunde aus Nippon: In dieser wunderlichen Zukunftsvision werden sie vom faschistoiden Kobayashi, Bürgermeister von Megasaki City, als staatsgefährdende Krankheitsträger gebrandmarkt und auf „Trash Island“ verbannt – einen unwirtlichen Archipel aus Abfall und Schrott. Spots, der Wachhund von Kobayashis Adoptivsohn Atari, muss als Exempel ins Exil. Doch der Bub liebt ihn wie einen besten Freund. Er stiehlt sich im Alleingang aufs Köter-Alcatraz und startet dort mit einem Rudel bunter Hunde eine waghalsige Rettungsmission.

„Isle of Dogs“ ist ein rasantes Stopptrick-Abenteuer im Modus von Andersons Roald-Dahl-Adaption „Der fantastische Mr. Fox“ – und dezidiert japanophil. Jede Guckkasteneinstellung bietet eine visuelle Bento-Box voller ausgeklügelter Anspielungen auf Japans (Pop-)Kultur, die Verweise reichen von Hokusais „Große Welle vor Kanagawa“ über die Ästhetik Akira Kurosawas bis hin zu Yakuza-Tattoos mit Katzenmotiven. Die handlungstreibenden Vierbeiner verstehen ihre Herrchen jedoch nicht: Englisch ist das Hundeesperanto, Stars wie Scarlett Johansson und Bill Murray leihen ihre Stimmen, Bryan Cranston spricht den stolzen Streuner Chief.

Der Plot läuft im Takt von Alexandre Desplats Taiko-Trommler-Soundtrack wie am Turbofließband und verkrampft sich manchmal fast in seiner Tempo- und Detailwut. Entspannung bieten pointierte Gefühlsspitzen, die in Form von Einzeltränen auf Puppenwangen aufblitzen. Und es wäre nicht die Berlinale, stets bemüht um ihren Ruf als das „politische“ unter den A-Festivals, wenn sich der Film nicht als Gegenwartsallegorie lesen ließe. In „Grand Budapest Hotel“ deutete sich Andersons Haltung erstmals an, hier tritt sie fast schon überdeutlich zum Vorschein: Kobayashi, der Schutzlose zu Feindbildern stilisiert und bedroht, erscheint als Symbolfigur für Populisten und Diktatoren. Wie in Guillermo del Toros Oscar-Favorit „The Shape of Water“ erringen die Marginalisierten ihren Sieg letztlich dank Solidarität, Empathie und Einsatzbereitschaft. Die Botschaft wird überstrapaziert, aber die Konstruktion besticht.

Die Eröffnung des Festivals stand im Schatten einer Debatte um seine Ausrichtung. Noch bevor die Berlinale begonnen hatte, wünschten sich manche, sie wäre vorbei – zumindest in ihrer jetzigen Form. Die Kritik an Struktur und Programm nimmt seit einiger Zeit zu: Das Filmangebot sei zu groß und diffus, der Wettbewerb zu zahnlos, es fehle an Profilschärfe, um künstlerisch mit Cannes und Venedig zu konkurrieren.

Ein missverstandener Brief

Für Wirbel sorgte zuletzt ein Brief, unterzeichnet von einem Who's who deutscher Filmschaffender. Er appellierte an die deutsche Kulturstaatsministerin, Monika Grütters, die kommende Nachbesetzung der Berlinale-Intendanz – der Vertrag von Langzeitdirektor Dieter Kosslick läuft 2019 aus – als Chance für Erneuerung zu nutzen. Die Kontextualisierung des Briefs in einem „Spiegel Online“-Artikel führte zu Gegenvorwürfen von „Kosslick-Bashing“, einzelne Unterzeichner ruderten zurück. Im Diskurs offenbart sich eine nahezu unüberbrückbare Kluft zwischen den Wunschvorstellungen von Filmbranche, Filmkritik, Berlinale-Führung und Kulturpolitik: Jede Gruppe hat eine völlig anderen Qualitätsbegriff.

Hielte die Berlinale als Publikumsevent und Wirtschaftsfaktor einer „Entschlackung“ überhaupt stand? Ohne kompetentes Kulturmanagement ist die Organisation eines Festivals dieser Größenordnung kaum denkbar. Für stärkere Konturen in den Hauptsektionen brauchte es aber tatsächlich jemanden, der „für das Kino brennt“ – und sei es auch nur als Kurator. So steht es im Brief, der auch eine internationale Findungskommission und ein transparentes Auswahlverfahren forderte. Daraus wurde nichts – dafür sollen nun Sachverständige aus der Filmbranche zur Beratung hinzugezogen werden. Ob das mehr als eine Symbolgeste ist, wird sich wohl erst zeigen, wenn Deutschlands Regierung gebildet ist.

DIE 68. BERLINALE

Filmfestival.Zahlreiche Filmschaffende treffen sich bis zur Preisverleihung am 24. Februar in Kinosälen, bei Pressekonferenzen und auf dem roten Teppich in Berlin – eine Petition, ihn aus Protest gegen Missbrauch in der Filmbranche schwarz umzufärben, hatte keinen Erfolg. Die #MeToo-Debatte prägt die Berlinale trotzdem, so wurde etwa eine Beschwerde-Hotline eingerichtet. Im Wettbewerb sind diesmal 19 Filme, darunter eine österreichische Koproduktion: „3 Tage in Quiberon“ erzählt von einer nervenaufreibenden Zeit im Leben von Romy Schneider. Insgesamt ist Österreich mit 13 (Ko-)Produktionen im Festivalprogramm vertreten, darunter „L'Animale“ von Katharina Mückstein und „Waldheims Walzer“ von Ruth Beckermann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2018)

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