Leinwand und Gummibären

Andrea Jungmann spannt mit Gleichgesinnten Kinder und Künstler zusammen.
Andrea Jungmann spannt mit Gleichgesinnten Kinder und Künstler zusammen.(c) Katharina F.-Roßboth
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Seit zehn Jahren produzieren im Projekt Seedingart Künstler mit Kindern Kunst. Jetzt bittet Sotheby's-Chefin Andrea Jungmann wieder zur Auktion.

Vier Meter Draht und zehn Kilo Clementinen, vier Perserteppiche, acht Leinwände, 71 Bananen, sieben Malkartons und 649 Gummibärchen: Wer auf der anderen Seite Kunst ernten will, muss zuerst einmal investieren. Material – und Futter. Die Bananen etwa seien wichtig, sagt Andrea Jungmann. „Kinder essen gern Bananen, wenn sie arbeiten.“

Und gearbeitet wird: Für die jüngste Auflage ihres Projekts Seedingart, das die Wiener Sotheby's-Chefin mit einigen Gleichgesinnten betreibt, haben 60 Kinder von fünf bis 14 mit 21 Künstlern gewerkt, darunter Hans Schabus und das Kollektiv Gelitin, Mario Dalpra, Benjamin Eichhorn, Constantin Luser oder Deborah Sengl. Auch Jungmanns eigene Kinder durften mitmachen und sich mit Nika Kupyrova im Copyshop austoben. Das nun zu ersteigernde Kunstwerk zeigt „einen Fellschal und die Haare meiner Tochter – oder ihrer Freundin“.

Wenn Jungmann am 3. März zur Auktion ins Zoom Kindermuseum bittet, dann feiert sie damit auch das Zehn-Jahr-Jubiläum ihrer Initiative. Gewachsen war Seedingart aus einem „Kinder für Kinder“-Projekt, bei dem Zeichnungen von Schülern prämiert und für einen wohltätigen Zweck versteigert wurden. Mit dem kleinen Haken, dass das finanzielle Potenzial bei Kinderzeichnungen überschaubar ist, auch wenn man „teils Hunderte Euro“ lukrieren konnte. Von Kunst-Consulterin Alexandra Grubeck stammte schließlich die initiale Idee, Künstler an Bord zu holen.

„Neue Art, Kunst zu erfahren“

Federführend bei Seedingart sind Jungmann und Christof Stein, Teilhaber des Kunsthandelsunternehmens Lichterloh. Die Idee greift dabei weiter als das ursprüngliche Projekt, funktioniert auf zwei Ebenen: Zum einen entstehen dabei Kunstwerke, die sich wiederum für Kinderprojekte zu (gar nicht wenig) Geld machen lassen. Zum anderen, sagt Jungmann, wolle man aber auch die Kinder an die Kunst heranführen. „Das fehlt unserer Meinung nach extrem.“ Ja, Kinder gehen mittlerweile in Museen („aber zu wenig“), ja, sie haben Kunstunterricht. „Aber die Erfahrung, mit Künstlern etwas zu kreieren, zu sehen, wie der Prozess ausschaut, ist eine neue Art, Kunst zu erfahren. Das wollten wir Kindern ermöglichen – und den Künstlern.“

Sie selbst habe einst zwar bildnerische Erziehung gewählt, erinnert sich Jungmann, „aber wir haben nur gemalt, keine Kunstbildung erhalten. Es ist eh erstaunlich, dass ich heute hier bin.“ Je früher man mit Kunst in Kontakt komme, glaubt sie, desto eher würden die Scheu wegfallen, die Angst, das Elitedenken.

Bei Seedingart darf man schon einmal mit Michail Michailov in Papieranzügen Beeren essen und nach Herzenslust aufs Papier tropfen (die entstandenen Flecken wurden dann gemeinsam weiter veredelt). Auch bei Gunter Damisch durfte schon gepatzt werden; bei Irene Andessner ging es ums Verkleiden, mit Constantin Luser wurde gelötet – die Ergebnisse tragen üblicherweise klar die Handschrift des jeweiligen Künstlers.

Der Erlös geht an Projekte, die Kindern zugutekommen – vor allem kleinen Projekten, „die kaum Unterstützung haben und von denen wir glauben, dass sie wachsen sollten“. Beispiel: ein Theaterprojekt der NMS Gassergasse, das zwei Jahre lang unterstützt wurde. Der Unterschied vom ersten zum zweiten Jahr sei beeindruckend gewesen, was Deutsch und Selbstvertrauen der Schüler betrifft, sagt Jungmann, im dritten Jahr wird die Hilfe nun schon nicht mehr benötigt. Bei der aktuellen Auktion am kommenden Samstag kommt die Hälfte des Erlöses dem „Projekt Schule für alle“ (Prosa) zugute, die andere Hälfte geht inzwischen in einen eigenen Topf: Unter dem Titel Seedingcare, sagt Jungmann, habe man sich damit den Freiraum geschaffen, um auch spontan helfen zu können.

Die Auktion selbst gerät dabei regelmäßig zum Spektakel. Stein und Jungmann geben dabei in einer Art Doppelconference die Auktionatoren, Stein spielt vor den Eltern (und Kindern!) den Marktschreier, sie selbst versucht, „die Strenge zu sein und Ordnung zu halten“. Mittlerweile gebe es rund um die Auktionen eine eigene Community, und nicht zuletzt sei die Plattform auch eine neue Bühne für die Künstler: Für viele Eltern sei es das erste echte Kunstwerk, das sie kaufen.

AUF EINEN BLICK

Der Verein Seedingart wird von Andrea Jungmann, Christof Stein, Elisabeth Menasse-Wiesbauer, Ulrike Tanzler, Michaela Wistawel und Christine Haupt-Stummer betrieben. In zehn Jahren wurden mit 200 Künstlern und 1000 Kindern bei sechs Auktionen 235.000 Euro lukriert. Diesmal u. a. mit Hans Schabus, Gelitin, Constantin Luser oder Deborah Sengl. Nächste Auktion: 3. März, 16 Uhr, Zoom Kindermuseum. www.seedingart.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2018)

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