Steuerdaten: Diebe als Detektive

Dieb
Dieb(c) Www.BilderBox.com (Www.BilderBox.com)
  • Drucken

Der deutsche Fiskus bedient sich bei der Überführung vermeintlich krimineller Steuersünder nämlich seinerseits der Dienste Krimineller, die besagte Daten unrechtmäßig erworben haben.

Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) steht vor dem Geschäft seines Lebens. Für eine Investition von 2,5 Millionen Euro erhalten die deutschen Finanzbehörden die Aussicht auf einen Gewinn in der Höhe von über 400 Millionen Euro. Das wäre eine sagenhafte Rendite von annähernd 16.000 Prozent – und das innerhalb weniger Stunden, ohne nennenswerten Arbeitsaufwand. Die Bundesrepublik muss nicht mehr tun, als für eine CD mit Informationen über Konten deutscher Bürger in der Schweiz zweieinhalb Millionen hinblättern und die Daten auswerten.

In deutschen Gazetten wird Finanzminister Schäuble für den großen Coup auch schon ausgiebig gefeiert. Schließlich besteht der begründete Verdacht, dass es sich bei den Namen, die auf dem Datenträger eingebrannt sind, um wohlhabende Steuerhinterzieher handelt, die beträchtliche Summen an Schwarzgeld über die Grenze geschmuggelt haben. Es geht auch nicht um Bagatellvergehen, wie etwa die Oma „schwarz“ pflegen zu lassen. Sondern um Kriminalität. Wer dabei erwischt wird, den deutschen Staat um Steuern und Abgaben jenseits der 100.000-Euro-Grenze geprellt zu haben, darf mit ein paar Jahren Knast rechnen. Politisch gesehen wäre es wohl ein kapitaler Fehler, wenn der deutsche Finanzminister die Chance sausen ließe, eine paar reiche Saftsäcke ihrer gerechten Strafe zuzuführen.


Der Staat als guter Hehler. Womit der Fall dann wohl auch erledigt wäre und alle zufrieden nach Hause gehen können. So einfach ist das aber leider nicht. Der deutsche Fiskus bedient sich bei der Überführung vermeintlich krimineller Steuersünder nämlich seinerseits der Dienste Krimineller, die besagte Daten unrechtmäßig erworben haben. Ein Umstand, der vor allem in der Schweiz für teils heftige Reaktionen sorgt, während in Deutschland über diesen Umstand großzügig hinweggesehen wird. Letzteres überrascht insofern, als erst unlängst ein Sturm der Entrüstung über das Land fegte, weil die Vereinigten Staaten um die Übermittlung von Daten deutscher Konten ersuchten, mit dem Ziel, kriminellen Machenschaften schneller auf die Schliche kommen zu können.

Während die Weigerung, den US-Behörden Zugang zu deutschen Konten zu gewähren, mit dem berechtigten Hinweis auf den Datenschutz abgeschmettert wurde, wird die Verwendung geklauter Informationen nun mit einer geradezu beeindruckenden juristischen Flexibilität schön gebogen. Daten, so wird man neuerdings immer wieder aufgeklärt, seien eben keine „Sachen“, sondern eine Art Geheimnis. Womit es auch Unfug sei, den deutschen Staat der Hehlerei zu bezichtigen. Den Tatbestand der Hehlerei gibt es laut Gesetz eben nur für den Handel mit gestohlenen Gegenständen, nicht für den Vertrieb immaterieller Werte.


Süße Früchte vom vergifteten Baum. Abgesehen davon ist es in unseren Breiten auch völlig in Ordnung, unrechtmäßig erworbene Beweise juristisch zu verwerten. Während in den USA illegal gesicherte Beweise selbst dann nicht anerkannt werden, wenn es sich nachweislich um das Mordwerkzeug des Angeklagten handelt („Fruit of the poisonous tree“), räumen sich die Staaten in Europa jeden erdenklichen Freiraum ein. Juristisch ist der Datenankauf durch den deutschen Fiskus somit wohl wasserdicht. Ebenso wie die geplante Weitergabe der Daten nach Österreich, samt Strafverfolgung mutmaßlicher Steuerhinterzieher.


Mit großen Ohren vor dem Beichtstuhl. Das ändert freilich nichts daran, dass das Vorgehen der deutschen Regierung eine ziemlich unschöne Sache bleibt. Abgesehen davon, dass ein gefestigter Rechtsstaat einen lukrativen Markt für illegal erworbene Daten öffnet und Nachahmungstäter regelrecht zum Diebstahl brisanter Informationen auffordert, steht die Frage im Raum, wie weit künftig gegangen werden darf. Was spricht denn eigentlich noch dagegen, es sich künftig mit einem kleinen Abhörgerät vor dem Beichtstuhl gemütlich zu machen? Da gibt es bestimmt allerhand Spannendes zu belauschen – und wer weiß, vielleicht fällt auch die eine oder andere verwertbare Information für die Behörden ab.

Ein lukrativer Geschäftszweig dürfte ab sofort auch das Abhören von Gesprächen via Mobiltelefon sein. Die Marktwirtschaft stellt hier jede Menge günstige Geräte zur Verfügung, mit ein paar Hundert Euro ist man dabei. Und was sollte den netten Postler jetzt eigentlich noch darin hindern, das Briefgeheimnis etwas lockerer zu nehmen und sich damit etwas dazu zu verdienen? Hin und wieder kann es ja vorkommen, dass ein für die Behörden hilfreiches Dokument zufällig aus dem schlecht verklebten Kuvert rutscht.

Nun spricht ja alles dafür, Steuerhinterzieher mit höchstem Einsatz zu jagen. Einem erwachsenen Rechtsstaat dürfte es aber zumutbar sein, dabei auf zwielichtige Begleiter und üble Denunzianten zu verzichten. Wie es auch für einen tüchtigen Finanzminister einer reifen Demokratie machbar sein sollte, sich der Lösung des Problems im eigenen Land anzunehmen. Während sich der deutsche Finanzminister für den zweifelhaften Ankauf unrechtmäßig erworbener Daten beklatschen lässt, fließen hinter seinem Rücken jährlich 350 Milliarden Euro in die Schattenwirtschaft.

Nicht zuletzt deshalb, weil es eine wachsende Zahl von Steuerzahlern einfach nicht mehr hinnehmen will, mehr als die Hälfte ihrer rechtmäßig erworbenen Einkommen an den Staat abzuliefern. Damit dieser eine föderale Geldverbrennungsmaschinerie betreibt, das Gesundheitssystem an die Wand fährt und seelenruhig dabei zusehen kann, wie das Land in einen beinharten Generationenkonflikt abgleitet, weil die Rentenkassen dem sicheren Konkurs entgegen schlittern.


Auf dem Weg in den Spitzelstaat. Nun ist es zweifellos einfacher, Diebesgut zur Bekämpfung der Steuerflucht anzukaufen, als das Problem an der Wurzel anzupacken. Das setzte nämlich voraus, unpopuläre Reformen anzugehen, die mit drastischen Einschnitten bei den Staatsausgaben verbunden wären. Die Angst vor den Funktionären aus den eigenen Reihen ist eben immer noch größer als die Scham, dem Spitzelstaat den Weg zu ebnen.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

International

Deutschland: Immer neue Angebote von Steuerdaten-CDs

Auch Bayern und Baden-Württemberg prüfen den Kauf gestohlener Daten.
Kommentare

Neue Befehle für „uns“ Deutsche

Das offizielle Deutschland denkt nach erfolgreichem Datenklau in größeren Dimensionen.
International

Deutschland: Immer neue Angebote von Steuerdaten-CDs

Auch Bayern und Baden-Württemberg prüfen den Kauf gestohlener Daten.
Finanzamt
Wirtschaftsrecht

Amtshilfe nach Diebstahl von Kontodaten?

Derzeit wandern Datenträger mit hochsensiblen Bankdaten von einem Land in das andere. Gegen Auskunftsersuchen ausländischer Steuerbehörden können nur die Höchstgerichte helfen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.