Syrien erhöht militärischen Druck auf Rebellen in Ost-Ghouta

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Regierungstreue Milizen sollen an die Front verlegt werden. Die UNO bezeichnet die Begründung des Assad-Regimes für die Luftangriffe als lächerlich.

Syrische Regierungskräfte haben ihren Kampf um die Rebellenhochburg Ost-Ghouta bei Damaskus intensiviert. Die Luftwaffe bombardierte am Mittwoch die Stadt Mesraba in dem Versuch, das Gebiet zu teilen. Das staatliche Fernsehen berichtete, mit dem Angriff solle ein Vormarsch der Bodentruppen vorbereitet werden.

Nach Erkenntnissen der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden zusätzliche 700 Kämpfer regierungstreuer Milizen an der Front zusammengezogen. In den vergangenen Tagen hätten Regierungstruppen etwa 45 Prozent des Gebietes erobert. Die Vereinten Nationen bezweifelten die rechtliche und die moralische Grundlage für die Angriffe. Das von islamistischen Gruppen kontrollierte Ost-Ghouta ist die letzte Rebellenhochburg in der Nähe der Hauptstadt.

In Live-Übertragungen des staatlichen Fernsehens waren große Rauchwolken über Mesraba zu sehen. Zugleich war der Lärm von Düsenjets und Explosionen zu hören. Die Menschen in Ost-Ghouta würden schon bald in die "Arme des Staates" zurückkehren, sagte ein Oberst der Armee. Für den Aufstand gegen Präsident Bashar al-Assad wäre eine Niederlage in Ost-Ghouta der schwerste Rückschlag nach dem Verlust der Stadt Aleppo Ende 2016.

Russland verteidigt Offensive

Die syrische und die mit ihre verbündete russische Regierung begründen das Vorgehen damit, den Beschuss der Hauptstadt durch Rebellen zu stoppen. Bei den Luftangriffen wurden in Ost-Ghouta der Beobachtungsstelle zufolge seit Mitte Februar 800 Menschen getötet. In der Region leben laut Vereinten Nationen rund 400.000 Menschen.

Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte Zeid Ra'ad al-Hussein wies die Rechtfertigung für die Angriffe zurück. "Versuche, willkürliche, brutale Angriffe auf Hunderttausende Zivilisten - wie in Ost-Ghouta - mit der Notwendigkeit der Bekämpfung einiger Hundert Kämpfer zu begründen, sind rechtlich und moralisch unhaltbar." Aussagen der syrischen Regierung, sie unternehme alles, um die Zivilbevölkerung zu schützen, seien schlichtweg lächerlich.

Vor einer Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrates zur Lage in Ost-Ghouta verteidigte Russland nichtsdestotrotz die Offensive. Der Einsatz der syrischen Armee richte sich gegen Terroristen und verstoße nicht gegen die UNO-Resolution 2401, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, am Mittwoch in Moskau. Die Sondersitzung des Weltsicherheitsrates zur Lage in Ost-Ghouta ist für 18.00 Uhr MEZ in New York geplant.

Rebellen lehnen Abzug ab

Mit der Resolution 2401 hatte der Sicherheitsrat Ende Februar zu einer 30-tägigen Waffenruhe in Syrien aufgerufen, die jedoch nicht eingehalten wird. Russland hatte dann in der vergangenen Woche eine täglich fünfstündige Feuerpause in Ost-Ghouta angeordnet, damit humanitäre Hilfe in die Stadt gelangen kann. Sacharowa verwies Agenturen zufolge darauf, dass sich die Waffenruhe nicht auf Terrorgruppen wie den "Islamischen Staat" (IS) oder Al-Kaida bezieht. Zugleich machte sie Terroristen für die andauernden Verstöße gegen die Feuerpause verantwortlich. Die russische Luftwaffe unterstützt die syrische Offensive in Ost-Ghouta.

Eine der wichtigsten Rebellengruppen in Ost-Ghouta lehnte Verhandlungen über einen von Russland vorgeschlagenen Abzug ab. "Über dieses Thema wird nicht verhandelt. Die Fraktionen von Ghouta und ihre Kämpfer und ihr Volk halten an ihrem Land fest und werden es verteidigen", erklärte Hamsa Birkdar von der Gruppe Jaish al-Islam am Mittwoch in einer SMS an die Nachrichtenagentur Reuters.

Meldungen russischer Nachrichtenagenturen zufolge sind einige Rebellen aber bereit, das russische Angebot eines freien Abzugs anzunehmen. Die Regierung in Moskau hat den Rebellen bei einem Abzug Straffreiheit zugesichert. Auch dürften sie ihre ihren Familien und persönlichen Waffen mitnehmen. Eine der wichtigsten Rebellengruppen hat das Angebot bereits abgelehnt.

Bevölkerung fehlt es an Medikamenten

Die syrischen Regierungstruppen belagern das Gebiet seit Jahren. Der Bevölkerung fehlte es bereits vor der jüngsten Offensive an Lebensmitteln und Medikamenten. Diese Woche erreichte ein Hilfskonvoi Ost-Ghouta. Die meisten Medikamente mussten auf Anweisung der syrischen Behörden jedoch zuvor ausgeladen werden, und über ein Dutzend Lkw konnten nicht entladen werden, weil der Konvoi wegen anhaltender Luftangriffe vorzeitig das Kampfgebiet wieder verließ.

(APA/Reuters/dpa/AFP)

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