Venezuela, Ukraine: Diesen Staaten droht der Bankrott

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Zumindest die Pleite der Griechen dürfte die Europäische Union vorerst abgewendet haben. Doch die nächsten Wackelkandidaten stehen schon vor der Tür. Noch nie verschuldeten sich die Staaten in der Krise so rasch.

Wien. Nun eilt die Europäische Union Athen also doch zu Hilfe. Die befürchtete Pleite des EU-Sorgenkindes dürfte damit wohl vom Tisch sein. Die Schockwellen, die seit Monaten über Europa gerollt sind, scheinen vorerst gestoppt. Grund zur Sorge gab es allemal, schließlich bewegte sich erstmals ein Mitglied der Eurozone gefährlich nahe am finanziellen Abgrund und nährte damit die Angst um die Gemeinschaftswährung. Gefürchtet wurde ein Dominoeffekt, wie ihn die Pleite der US-Bank Lehman Brothers seinerzeit auf dem Bankensektor ausgelöst hat.

Venezuela und Ukraine wanken

Nicht zu Unrecht, denn weltweit verschuldeten sich die Staaten in der Krise so rasch wie nie zuvor in Friedenszeiten. Zwei Billionen Dollar wurden in Summe für Konjunkturpakete ausgegeben, dem stehen rapide sinkende Steuereinnahmen gegenüber. In einigen EU-Ländern schätzt die Kommission den Schuldenstand längst auf über hundert Prozent der Wirtschaftsleistung. Mit der Rettung der Griechen ist die Gefahr von weiteren Staatspleiten aber noch längst nicht vom Tisch.

Die Experten vom britischen Analysehaus CMA sehen gleich mehrere Staaten in Gefahr, angeführt von Venezuela: Den Analysten zufolge beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass „El Presidente“ Hugo Chávez seine Auslandsschulden nicht begleichen wird, nahezu 60 Prozent – trotz Rekordeinnahmen aus dem Ölverkauf (siehe Grafik). Knapp darauf folgen die Ukraine (wo das innenpolitische Chaos nach der Wahl die Auszahlung von IWF-Geldern weiter verzögert) und Argentinien, das zuletzt 2002 den Staatsbankrott verkünden musste. EU-Sorgenkind Griechenland landet mit einer Ausfallswahrscheinlichkeit von 16,8 Prozent gerade noch in den Top Ten. Österreich ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 94 Prozent vor einer Pleite gefeit.

Brisanter für die heimische Wirtschaft sind da schon die Wackelkandidaten in Mittelosteuropa. Neben der Ukraine findet sich auch Rumänien unter den zehn gefährdetsten Staaten. Sollten Bukarest und Kiew tatsächlich nicht mehr zahlen können, träfe das hierzulande vor allem die Großbanken, die in den beiden Ländern seit Jahren zu den Branchenleadern zählen. Denn üblicherweise folgt dem Staatsbankrott eine Bankenkrise.

Auch in der EU wird über mögliche Nachfolger des Griechenland-Desasters längst nicht mehr hinter verschlossenen Türen debattiert. Hohe Staatsdefizite und der rasante Schuldenzuwachs dürften weitere Länderratings in der Eurozone in Gefahr bringen, so die Sorge. Die folgende Panik an den Finanzmärkten könnte freilich schon reichen, um den Teufelskreis in Gang zu bringen, der schließlich zur Pleite führen kann.

Denn beim Staatsbankrott geht es um mehr, als nur die Höhe der Auslandsschulden. Sonst wäre Japan seit vielen Jahren bankrott. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Investoren darauf vertrauen, dass der Staat seine Schulden weiterhin bedienen wird. Sinkt dieses Vertrauen, steigen die Zinsen, die das Land für seine Anleihen zu bezahlen hat. Frisches Geld wird teurer, eine Abwärtsspirale setzt sich in Gang. Dann kann alles sehr schnell gehen. Von einem Staatsbankrott spricht man, wenn ein Staat bekannt gibt, seine Schulden, Zinsen und laufenden Ausgaben nicht mehr bezahlen zu können.

Früher hätte man in Athen einfach die Notenpresse angeworfen und mehr Drachmen gedruckt, um die Schulden zu drücken. Diese Möglichkeit fällt im Euroland weg. Und so stemmt sich Griechenland gegen die Pleite, indem es eine Anleihe nach der anderen begibt und so Schulden mit neuen Schulden zu tilgen versucht. Mit Erfolg: Die Investoren reißen den Griechen ihre Anleihen beinahe aus der Hand. Im Stillen hoffte man in Athen wohl auf Hilfe aus der EU. Die schließlich auch kam. Doch zu welchem Preis? Die Union droht ein Exempel zu statuieren. Bald schon könnten Spanien, Irland oder Portugal genauso bettelarm mit dem Klingelbeutel vor der Tür stehen, so die Sorge.

Tabuthema Staatsbankrott

Denn noch ist ein Staatsbankrott innerhalb Europas Grenzen tabu. Das soll sich ändern, wünscht sich Christian Helmenstein, Chefökonom der österreichischen Industriellenvereinigung. Kärnten oder Griechenland müssen pleitegehen dürfen, forderte er kürzlich. Im Falle einer Pleite müsse in einem geordneten Insolvenzverfahren geklärt werden, auf welche Vermögenswerte zugegriffen werden kann. Dann könnten Gläubiger zum Beispiel durch Wasserreserven entschädigt werden. „Staat ist gleich sicher“ – mit diesem Prinzip müsse aufgeräumt werden.

auf einen blick

Mit der „Rettung“ von EU-Sorgenkind Griechenland ist das Thema Staatspleite längst noch nicht vom Tisch. Als heißeste Wackelkandidaten gelten Venezuela und die Ukraine.

Österreich ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 94 Prozent vor einem Staatsbankrott gefeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2010)

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