Mit der Wahl des FPÖ-Anwalts Michael Rami steht der 14. und letzte Verfassungsrichter fest.
Wien. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) wird wieder komplett: Im Bundesrat steht die Wahl von Michael Rami auf der Tagesordnung, der auf Wunsch der FPÖ im Verein mit der ÖVP als letztes noch ausständiges Mitglied des Höchstgerichts nominiert wird. Betrachtet man den politischen Background der 14 Höchstrichter, ist damit im Vergleich zum Stand Ende 2017, als Präsident Gerhart Holzinger und zwei weitere Mitglieder in Pension gegangen sind, die Färbung deutlich weniger rot geworden.
Brigitte Bierlein ist seit 23. Februar 2018 Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs. Die am 25. Juni 1949 geborene Wienerin hatte eine Laufbahn als Staatsanwältin hinter sich, als sie 2003 unter dem schwarz-blauen Kabinett Schüssel I als Vizepräsidentin ans Höchstgericht gerufen wurde. In der Justiz war sie zuletzt Generalanwältin in der Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof und auch in der Standesvertretung aktiv, nämlich als Präsidentin der Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Sowohl die Bestellung zur Vizepräsidentin als auch zur Präsidentin erfolgte durch die Bundesregierung, und zwar mit einem ÖVP-Ticket. Altersbedingt wird Bierlein Ende 2019 aus dem Verfassungsgerichtshof ausscheiden. (kom) Achim Bieniek/VfGH Cc-by-sa-3.0-at Christoph Grabenwarter rückte zeitgleich mit Bierleins Ernennung zur Präsidentin vom einfachen Mitglied des Verfassunsgsgerichtshofs zu dessen Vizepräsident auf. Grabenwarter wurde am 4. August 1966 in Bruck/Mur geboren. Er hat in Wien Rechtswissenschaften und Handelswissenschaften studiert. Grabenwarter ist seit 2008 Professor für Öffentliches Recht, Wirtschaftsrecht und Völkerrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien. Zuvor hatte er in Linz, Bonn und Graz gelehrt. Im Jahr 2005, wurde er mit nur 39 Jahren, von der Bundesregierung auf einem ÖVP-Ticket für den Verfassungsgerichtshof nominiert. Er hat gute Chancen, Bierlein als VfGH-Präsident nachzufolgen. Achim Bieniek/VfGH Cc-by-sa-3.0-at Markus Achatz, am 21. April 1960 in Graz geboren, ist der Steuerrechtsexperte am Verfassungsgerichtshof. Er hat nach seinem Jusstudium in Graz ab 1983 (bis 1992) als Universitätsassistent bei Professor Hans Georg Ruppe am Institut für Finanzrecht der Universität Graz gearbeitet. 30 Jahre später sollte er Ruppe am Verfassungsgerichtshof nachfolgen, als dieser aus Altersgründen das Höchstgericht verließ. Dazwischen hat Achatz die Ausbildung zum Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder absolviert; seit 1996 ist er Professor an der Johannes Kepler Universität Linz. Achatz ist Gesellschafter der Wirtschaftstreuhandgesellschaft LeitnerLeitner OG, in dieser Funktion Geschäftsführer der LeitnerLeitner GmbH Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Achatz wurde auf ÖVP-Vorschlag vom Nationalrat für den VfGH nominiert. Achim Bieniek/VfGH Cc-by-sa-3.0-at Wolfgang Brandstetter, am 7. Oktober 1957 in Haag geboren, war heuer der erste Neuzugang am Verfassungsgerichtshof. Er hat am 27. Februar 2017 jene Stelle übernommen, die durch das Aufrücken Christoph Grabenwarters zum Vizepräsidenten frei geworden ist. Brandstetter kommt aus der Strafrechtswissenschaft und -praxis: Er hat sich 1991 an der Universität Wien habilitiert und lehrte dann unter anderem an den Universitäten Linz, Wien und an der WU Wien. Daneben war er auch als Strafverteidiger vor Gericht tätig. 2013 bis 2017 war er für die ÖVP parteifreier Justizminister, zuletzt auch Vizekanzler. Danach ist er an die WU Wien zurückgekehrt, an der er seit 2007 Wirtschaftsstrafrecht lehrt. Brandstetter wurde auf Vorschlag der ÖVP von der Regierung nominiert. Bemerkenswert ist sein direkter Wechsel aus der Regierung in das Kontrollorgan; die Verfassung sieht aber nur für die Berufung ins VfGH-Präsidium eine Abkühlphase von fünf Jahren vor; zumindest bei der Prüfung von Gesetzen, die von Brandstetter initiiert worden sind, wird er sich wohl für befangen erklären müssen. Achim Bieniek/VfGH Cc-by-sa-3.0-at Sieglinde Gahleitner wurde am 10. Mai 1965 in St. Veit/Oberösterreich geboren. Sie hat in Wien Jus studiert und als Sozialpolitische Referentin in der Bundesarbeitskammer zu arbeiten begonnen. 1995 begann sie die Ausbildung zur Rechtsanwältin, die sie 1998 wurde. Sie übte diesen Beruf zunächst als Partnerin in der Kanzlei Grießer/Gerlach/Gahleitner aus; seit 2011 ist sie Rechtsanwältin in der Rechtsanwaltskanzlei Gahleitner. Seit Mai 2016 ist Gahleitner Honorarprofessorin für Arbeits- und Sozialrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien. Gahleitner ist seit 2010 Mitglied des Verfassungsgerichtshofs; als solche wurde sie auf SPÖ-Vorschlag vom Bundesrat nominiert. Achim Bieniek/VfGH Cc-by-sa-3.0-at Andreas Hauer ist seit 7. März 2018 Mitglied des Verfassungsgerichtshofs und damit – vor Michael Rami – die vorletzte Neubesetzung im Gefolge der Pensionierungen Ende 2017. Hauer wurde am 2. August 1965 in Ybbs an der Donau geboren. Er hat sich 1998 an der Johannes Kepler Universität Linz für „Öffentliches Recht“ habilitiert und war dann bis 2000 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof. Seither ist lehrt er am Institut für Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre der Johannes Kepler Universität Linz; seit 2014 stellvertretender Vorsitzender des Menschenrechtsbeirats der Volksanwaltschaft. Hauer wurde auf Vorschlag der FPÖ vom Nationalrat gewählt. Er wurde unter anderem dafür kritisiert, dass er den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mitverantwortlich gemacht hat für die „multikriminelle Gesellschaft“, die sich wegen des – freilich bedingten – Bleiberechts (auch) von kriminellen Ausländern in Europa breit gemacht habe. Achim Bieniek/VfGH Cc-by-sa-3.0-at Christoph Herbst, geboren am 8. Juni 1960 in Wien, hat seine Berufslaufbahn 1982 als Assistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien begonnen. Von 1985 bis 1992 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof; danach absolvierte er die Ausbildung zum Rechtsanwalt, der er seit 1995 ist (mittlerweile als Partner bei Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH). Herbst war von Jänner bis August 2011 Vorstandsvorsitzender bei der Flughafen Wien AG und hat aktuell Organfunktionen in verschiedenen Baugesellschaften inne. Er wurde 2011 auf Vorschlag der ÖVP vom Bundesrat für den Verfassungsgerichtshof nominiert. Achim Bieniek/VfGH Cc-by-sa-3.0-at Helmut Hörtenhuber, geboren am 15. September 1959 in Linz, kommt aus dem oberösterreichischen Landesdienst. In diesem war er seit 1983 tätig, mit einer Unterbrechung in den Jahren 1986 unb 1987, in denen er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof war. Zuletzt war Hörtenhuber Leiter des Verfassungsdienstes des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung und Landtagsdirektor; seit 2009 lehrt er (seit 2011 als Honorarprofessor) Öffentliches Recht an der Johannes Kepler Universität Linz. Hörtenhuber ist seit 2008 Mitglied des Verfassungsgerichtshofes; er war auf ÖVP-Vorschlag von der Bundesregierung nominiert worden. Einer breiteren Öffentlichkeit ist Hörtenhuber dadurch bekannt geworden, dass er die Entscheidung zur Aufhebung der Bundespräsidenten-Stichwahl im Jahr 2016 als Referent vorbereitet hat. Achim Bieniek/VfGH Cc-by-sa-3.0-at Michael Holoubek, Wiener des Jahrgangs 1962 (geboren am 5. November), hat nach dem Jusstudium an der Universität Wien von 1986 bis 1997 als Universitätsassistent am Institut für Verfassungs- und Verwaltungsrecht der Wirtschaftsuniversität Wien gearbeitet – mit einer Unterbrechung von 1989 bis 1990, als er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof war. Er hat sich 1996 an der WU für „Öffentliches Recht“ habilitiert und lehrt dort seit 1998. Heute ist er Vorstand des Departments für Öffentliches Recht und Steuerrecht an der WU. Holoubek sitzt im Aufsichtsrat der Wiener Stadtwerke Holding AG. Er wurde auf SPÖ-Wunsch vom Nationalrat für den Verfassungsgerichtshof nominiert und ist seit 2011 dessen Mitglied. Achim Bieniek/VfGH Cc-by-sa-3.0-at Claudia Kahr, am 30. September 1955 in Graz geboren, ist seit 1999 Mitglied des Verfassungsgerichtshofs. ; Sie hat von 1979 bis 1984 im Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst gearbeitet, ehe sie ab 1984 Mitarbeiterin in den Kabinetten mehrerer SPÖ-geführter Ministerien wurde. 1992 bis 1995 war sie Büroleiterin von Europa-Staatssekretärin Brigitte Ederer. Vor ihrem Eintritt in den Verfassungsgerichtshof war sie Leiterin der Sektion II – Grundsätzliche Verkehrspolitik/Verkehrsplanung für alle Landverkehrsträger – im Verkehrsministerium Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr (Einem). Bis Ende 2017 war Kahr Aufsichtsratsvorsitzende der Asfinag. 1999 war sie auf Vorschlag der SPÖ von der Bundesregierung für den Verfassungsgerichtshof nominiert worden. Achim Bieniek/VfGH Cc-by-sa-3.0-at Georg Lienbacher, geboren am 21. Februar 1961 in Hallein, hat in Salzburg Jus, Politikwissenschaft und Publizistik studiert. Er war 1990 und 1991 Referent im Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst und Mitarbeiter im Kabinett des Vizekanzlers und Bundesministers für Föderalismus und Verwaltungsreform, Josef Riegler (ÖVP); 2001 hat er sich für die Fächer: „Verfassungs- und Verwaltungsrecht einschließlich ihrer Bezüge zum Europarecht“ an der Universität Salzburg habilitiert. Seit 2003 ist er, mit einer fünfjährigen Unterbrechung, Universitätsprofessor für Öffentliches Recht am Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht an der Wirtschaftsuniversität Wien: 2005 bis 2010 war er Sektionschef und Leiter des Verfassungsdienstes (damals) im Bundeskanzleramt. Lienbacher ist seit 2011 Mitglied des Verfassungsgerichtshofes; er wurde auf ÖVP-Vorschlag von der Bundesregierung nominiert. Achim Bieniek/VfGH Cc-by-sa-3.0-at Michael Rami, der am Donnerstag vom Bundesrat als neues Mitglied des Verfassungsgerichtshofs nominiert worden ist, arbeitet als Rechtsanwalt in Wien. Als Student hat er nebenbei als Detektiv und für den Kreditschutzverband gearbeitet, nach dem Studium in der Rechtsabteilung der Victoria Volksbanken Versicherungs AG. Er war Rechtsanwaltsanwärter beim späteren Justizminister Dieter Böhmdorfer und ist als fertiger Anwalt Partner der Kanzlei Gheneff-Rami-Sommer geworden, die Böhmdorfer verlassen hat. Rami hat sich auf Medienrecht spezialisiert und immer wieder aktive und ehemalige FPÖ-Politiker vertreten. Seine Nominierung erfolgte auf Wunsch der FPÖ. APA/HERBERT NEUBAUER Johannes Schnizer wurde am 14. September 1959 in Graz geboren. Er hat an der an der Paris Lodron Universität Salzburg Jus studiert und zuerst als wissenschaftliche Hilfskraft, dann als Vertragsassistent am Institut für Römisches Recht, Juristische Dogmengeschichte und Allgemeine Privatrechtsdogmatik gearbeitet. 1982 bis 1992 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof; danach verfassungsrechtlicher Referent der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion: Von 2007 bis 2008 war er Kabinettschef von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Schnizer ist seit 2010 Mitglied des Verfassungsgerichtshofes; er wurde auf SPÖ-Vorschlag von der Bundesregierung nominiert. Achim Bieniek/VfGH Cc-by-sa-3.0-at Ingrid Siess-Scherz, am 11. November 1965 in Wien geboren; hat nach dem Jusstudium in Wien als Assistentin am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien gearbeitet. Nach einigen Jahren als Rechtsanwaltsanwärterin kam sie in den Verfassungsdienst des (damals) Bundeskanzleramts -Verfassungsdienst, dessen Stellvertretende Leiterin sie 2007 bis 2008 war. Danach war sie Leiterin des Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienstes in der Parlamentsdirektion. Seit 2012 ist sie Mitglied des Verfassungsgerichtshofes; sie wurde auf SPÖ-Wunsch von der Bundesregierung nominiert. Achim Bieniek/VfGH Cc-by-sa-3.0-at VfGH: 14 Höchstrichter und ihr Hintergrund Lässt man den Präsidenten bzw. dessen Nachfolgerin Brigitte Bierlein außer Betracht – die Vorsitzende hat nur im seltenen Fall der Stimmengleichheit ein Stimmrecht –, stehen nun fünf Mitgliedern mit roten Tickets sechs mit schwarzen (bzw. türkisen) und zwei mit blauen Tickets gegenüber. Statt 7:6 sind die Kräfte rechts und links der Mitte nun 8:5 verteilt (siehe Grafik). Auch wenn allerdings sämtliche Mitglieder des Höchstgerichts mit dem Vertrauen mindestens einer Partei nominiert worden sind: In den geheimen Abstimmungen folgen sie nicht unbedingt der jeweiligen Parteilinie.
Gesellschaftspolitisch liberale Linie Jüngstes Beispiel ist die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, die der Verfassungsgerichtshof im vergangenen Dezember mit Wirkung Ende dieses Jahres beschlossen hat. Trotz bürgerlicher Mehrheit im Gremium hat er sich damit als gesellschaftspolitisch liberal hervorgetan. Spannend zu beobachten wird sein, wie der Gerichtshof in der noch offenen Frage entscheiden wird, ob es in offiziellen Dokumenten zwischen weiblich und männlich auch ein drittes Geschlecht geben muss (das deutsche Bundesverfassungsgericht hat dies bereits bejaht).
Mit Michael Rami, der regelmäßig FPÖ- und BZÖ-Politiker gegen Medien vertreten hat, kommt ein auf Medienrecht spezialisierter Anwalt ans Höchstgericht; die Unterschrift des Bundespräsidenten gilt als Formsache. In der juristischen Auseinandersetzung ist Rami unerbittlich; er vertritt seine Mandanten ohne jedes Nachgeben.
Sollte sich in Verfahren vor dem VfGH auch nur der Anschein einer Befangenheit eines Mitglieds zeigen, darf dieses nicht mitentscheiden. Bei Wolfgang Brandstetter, der fast übergangslos aus der Regierung (Justizminister, Vizekanzler) an den VfGH gewechselt ist, wird das zumindest bei der Prüfung von Gesetzen der Fall sein, die er mit der Regierung auf den Weg gebracht hat.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2018)
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