Nach mehr als 14 Jahren taumelt Facebook in eine ernste Krise. Chef Zuckerberg muss jetzt Werbekunden, Nutzer und Behörden überzeugen, doch das braucht Zeit. Währenddessen rufen auf Twitter Tausende Nutzer zum Facebook-Boykott auf.
Er hat WhatsApp mitbegründet und sich beim Verkauf des Messenger-Dienstes an Facebook eine goldene Nase verdient. Dass sich Brian Acton nun gegen Facebook stellt, ist bemerkenswert. Er ruft auf Twitter dazu auf, Facebook zu löschen. "Es ist Zeit", schreibt er und schafft es, dass der Hashtag #deletefacebook an Fahrt aufnimmt. Von ähnlichen Aufrufen zu WhatsApp und Instagram gibt es derzeit aber wenige, obwohl diese beiden Anwendungen auch regelmäßig Nutzerdaten an Facebook liefern.
Es ist nicht das erste Mal, dass Facebook in einem Datenschutzskandal verwickelt ist. Doch dieses Mal ist die Lage anders, denn es war Facebooks lascher Umgang mit Datenschutzbestimmungen, wodurch Cambridge Analytica in Besitz von mehr als 50 Millionen Nutzerdaten kommen konnte.
"Facebooks Sinn und Zweck ist es, Daten zu sammeln. Das öffnet Tür und Tor für Manipulation", sagt der Vizedirektor des Digital Society Institute (DSI) in Berlin, Martin Schallbruch. Weltweit schauen Politiker, Datenschutz-Beauftragte und Behörden Facebook immer genauer auf die Finger. Der jüngste mediale Aufschrei wegen des unerlaubten Zugriffs auf Informationen von 50 Millionen Nutzern dürfte Facebook aber unter Zugzwang setzen, den Datenschutz auszuweiten. "Der Regulierungsdruck steigt", meint auch Schallbruch.
In Europa soll dafür ab Ende Mai die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sorgen. Verstöße können dann mit hohen Geldstrafen geahndet werden. Wäre der mutmaßliche Datenklau nach dem Inkrafttreten der neuen Regeln passiert, hätte es Facebook "vier Prozent seines Gesamtumsatzes gekostet", sagt der österreichische Datenschutz-Aktivist und Facebook-Kritiker Max Schrems. Gemessen am Umsatz des vergangenen Jahres von 40,7 Milliarden Dollar wären das 1,6 Milliarden Dollar.
Mark Zuckerberg hat sich bislang nicht wirklich zu den Vorkommnissen geäußert. Er steht derzeit zwischen den Fronten, denn er kann es sich nicht leisten, die Behörden weltweit gegen sich zu haben. Aber auch seine Werbekunden und Nutzer kann er sich nicht leisten zu vergrämen. Immerhin sind sie es, die regelmäßig das Geld bringen. Der Facebook-Chef sucht fieberhaft nach einem Befreiungsschlag und das braucht Zeit.
Für Facebook kommt der Skandal zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Die letzten Quartalszahlen legten offen, dass die Nutzer immer weniger Zeit auf Facebook verbringen. Im Schnitt waren es zwei Minuten pro User täglich. Ein Rückgang von 50 Millionen Stunden innerhalb von drei Monaten muss auch ein Konzern wie Facebook erst verdauen. Den Menschen dabei zu helfen, sich zu vernetzen, ist wichtiger, als die Nutzungszeit zu verlängern", sagte Zuckerberg jetzt. Das sei auf lange Sicht auch gut für Facebook. Da wusste er noch nicht, womit er sich nur wenige Wochen später konfrontiert sehen würde.
(bagre)