Für Beamte ohne Jobs fehlt einfach das Geld

Das niedrige Pensionsantrittsalter bei der Bahn ist ein Symptom der Pragmatisierung. Dort wäre anzusetzen.

Es ist eine Zahl, die kaum jemanden kaltlässt: 52,3. Mit diesem Alter gingen Eisenbahner im Vorjahr hierzulande im Durchschnitt in Pension. Die ehemaligen ÖBBler können somit um sechs Jahre früher jeden Tag ausschlafen als ASVG-Versicherte. Bedenkt man, dass bei den Bundesbahnen hauptsächlich Männer beschäftigt sind, erhöht sich diese Differenz neuerlich um einige Jahre. Die Kosten für diesen frühen Pensionsantritt müssen jedoch alle Österreicher tragen. Die pensionierten Eisenbahner sind nämlich allesamt pragmatisierte Beamte. Für die rund 70.000 ÖBB-Pensionisten müssen die Steuerzahler pro Jahr etwa 1,7 Milliarden Euro aufwenden. Tendenz steigend.

Auch ohne Wirtschaftskrise und ohne Aussicht auf eine regelrecht explodierende Staatsverschuldung in den kommenden Jahren ist es nur recht und billig, nach Möglichkeiten für Einsparungen zu suchen. Auch wenn die politischen Motive dahinter zum Teil durchsichtig sind. So betreibt die ÖVP bei den ÖBB (die, wie im staatsnahen Bereich üblich, zwischen Rot und Schwarz aufgeteilt sind) zurzeit eine Art politische Kindesweglegung. Und einzelne Politiker haben die Bahn als Thema für die persönliche Profilierung auserkoren.

Es ist also erfreulich, dass es eine Diskussion über Einsparungsmöglichkeiten gibt. Das Grundproblem ist damit aber noch nicht gelöst. Dieses beschreibt die Arbeitsgruppe zur Pensionsharmonisierung aus Rechnungshof, Staatsschuldenausschuss, Wifo und IHS sehr gut in einem Positionspapier. Demnach kommt es bei den ÖBB zu Pensionierungen vor dem gesetzlichen Antrittsalter, wenn „nach Rationalisierungen eine Weiterbeschäftigung nicht möglich ist und eine Versetzung nicht in Betracht kommt“. Übersetzt heißt das: Wenn Jobs etwa aufgrund von technischen Änderungen wegfallen, werden die betroffenen Mitarbeiter halt in Frühpension geschickt.

Und technische Änderungen gibt es bei der Bahn zuhauf. So wurden beispielsweise Stellwerke bis vor Kurzem noch von einer Hundertschaft von Eisenbahnern manuell vor Ort bedient. Inzwischen erledigen diese Aufgabe einige wenige Mitarbeiter in zentralen Leitstellen. Eine Automatisierung, die auch in anderen Branchen nichts Ungewöhnliches ist. Dort werden die betroffenen Mitarbeiter aber an den allgemeinen Arbeitsmarkt zurückverwiesen, auf dem es die Chance auf neue Jobs oder Umschulungen gibt. Bei staatsnahen Firmen wie ÖBB, Post oder Telekom geht das oft nicht: Die Mitarbeiter sind nämlich großteils pragmatisiert.

Die Folge ist, dass es in den Unternehmen viele Mitarbeiter ohne wirkliche Aufgabe oder berufliche Aussichten gibt. Dadurch erklären sich oft auch die horrenden Krankenstände bei ÖBB und Co. So stieg die Zahl der Krankenstände bei Eisenbahnern laut Rechnungshof in den letzten drei Jahren vor der Pensionierung auf durchschnittlich über 100 Tage pro Jahr an. Eine frustrierende Situation für beide Seiten, die mitunter sogar zu gezieltem Mobbing führen kann, wie ein inzwischen „gegangener“ Telekom-Vorstand in einem unbedachten Moment öffentlich erklärt hat. Offiziell bestätigt wird das Problem nämlich nie, sondern erst dann, wenn die Diktiergeräte abgeschaltet sind.


Eine wirkliche Lösung kann also nur die Abschaffung der Pragmatisierung bei den ehemaligen Staatsbetrieben sein. Für neu eintretende Mitarbeiter ist das zwar schon seit einigen Jahren Normalität, dennoch werden die letzten „Firmenbeamten“ erst im Jahr 2045 in Pension gehen. Von der Politik und Gewerkschaften wird ein Eingriff in „bestehende Verträge“ jedoch regelmäßig abgelehnt. Gegenüber „normalen“ Beschäftigten kann dieser Vertrauensschutz für 35 Jahre in die Zukunft aber nicht argumentiert werden. Und angesichts der Entwicklung der Staatsschulden darf es einfach keine Tabus mehr geben.

Im Gegenzug muss die Politik aber natürlich auch die Voraussetzungen schaffen, dass ehemalige Eisenbahner oder Festnetztechniker wieder einen Arbeitsplatz finden können. Die betroffenen Menschen künftig einfach jahrelang zum AMS stempeln zu schicken kann keine Lösung sein. Dabei könnte man sich auch Gedanken machen, wie man es Arbeitgebern grundsätzlich schmackhafter machen kann, auch ältere Menschen wieder einzustellen. Vorschläge, wie ein ab einem gewissen Lebensalter wieder abnehmendes Lohnniveau, gibt es ja genug. Für solche Entscheidungen bedarf es natürlich Mut und Kreativität. Doch dafür haben wir ja eine Regierung mit einer „breiten Mehrheit“.


jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2010)

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