Münster: Mutmaßlicher Täter war amtsbekannt

Police carry restaurant table in front of the site where a man drove a van into a group of people sitting outside a popular restaurant in the old city centre of Muenster
Police carry restaurant table in front of the site where a man drove a van into a group of people sitting outside a popular restaurant in the old city centre of MuensterREUTERS
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Gegen den Mann habe es bereits mehrere Verfahren gegeben. Seine vier Wohnungen wurden in der Nacht durchsucht - die Polizei fand keine Hinweise auf einen politischen Hintergrund.

Nach der Amokfahrt in der Stadt Münster im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen suchen die Ermittler weiter nach Motiv und Hintergründen für die Tat mit drei Toten und mehr als 20 Verletzten.

In einer gemeinsamen Presseerklärung von Staatsanwaltschaft und Polizei in Münster hieß am frühen Sonntagmorgen: "Bislang liegen keine Hinweise auf einen möglichen Hintergrund für die Tat vor. Die Ermittlungen werden mit Hochdruck und in alle Richtungen geführt."

Zu Mittag sagte dann die Leitende Oberstaatsanwältin Elke Adomeit, der mutmaßliche Täter sei wegen kleinerer Delikte amtsbekannt gewesen. Es habe drei Verfahren in Münster gegeben und eines in Arnsberg. Die Verfahren stammten demnach aus den Jahren 2015 und 2016 und seien alle eingestellt worden. Es ging damals um eine Bedrohung, Sachbeschädigung, eine Verkehrsunfallflucht und Betrug. Man müsse den Sachverhalt der Verfahren noch aufklären. "Aber auf den ersten Blick haben wir hier keine Anhaltspunkte auf eine stärkere kriminelle Intensität, die wir bei dem Täter feststellen konnten", sagte Adomeit. Es gebe keine Hinweise auf einen politisch motivierten Hintergrund oder weitere Täter, bekräftigte die Anklägerin.

Ein Mann aus Münster

Klar ist, dass am Samstag um 15.27 Uhr ein Mann einen silberfarbenen Campingbus im Zentrum in eine Menschengruppe vor einer beliebten Gaststätte gesteuert und sich danach im Wagen erschossen hatte. Einige der Verletzten seien in Lebensgefahr, teilten die Behörden mit. "Nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen handelt es sich bei dem Fahrer vermutlich um einen 48-jährigen Mann aus Münster", sagte Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt.

Nach Informationen von "FAZ.net" stammt der Täter aus Olsberg im Sauerland. Er habe schon lange in Münster nahe dem Tatort gelebt. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte am Samstagabend gesagt: "Es spricht im Moment nichts dafür, dass es einen islamistischen Hintergrund gibt." Nach dpa-Informationen handelte es sich womöglich um einen psychisch labilen Einzeltäter.

Kritik für "Hetzer"

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) drückte am Sonntag bei einem Besuch in Münster sein Mitgefühl mit den Opfern aus. Der Samstag sei "ein schrecklicher, ein trauriger Tag für die Menschen in Münster" gewesen, aber auch für ganz Nordrhein-Westfalen und Deutschland, sagte Laschet am Sonntag in der Nähe des Tatorts.

Laschet lobte die Besonnenheit und Solidarität der Bevölkerung und kritisierte diejenigen Nutzer sozialer Netzwerke, die dort kurz nach der Tat "das Hetzen" begonnen hätten. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Laschet hatten zuvor am Tatort gemeinsam mit Reul und Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) der Opfer gedacht und weiße Rosen und Lilien niedergelegt.

"Eine Menge Erkenntnisse" zum Motiv

Anschließend bekräftigten Seehofer und Reul die bisherigen Informationen zum Täter. Der mutmaßliche Todeslenker sei "mit hoher Wahrscheinlichkeit" ein aus Deutschland stammender Einzeltäter und kein Flüchtling, sagte Reul in Münster. Es gebe "eine Menge Erkenntnisse", dass das Motiv in der Person des Täters liege. Allerdings würden die Ermittlungen dazu noch Stunden und Tage dauern. "Wir sind noch lange nicht am Ende. Es ist die Stunde der Ermittler", sagte der CDU-Politiker.

Seehofer überbrachte den Opfern und den Angehörigen "die Solidarität und Anteilnahme" der Bundesregierung. "Dieses feige und brutale Verbrechen hat uns alle sehr betroffen gemacht", sagte er in Münster. Er hoffe inständig und bete dafür, dass die Verletzten wieder gesund werden. Den Medien dankte der Innenminister dafür, dass sie in ihrer Berichterstattung nicht über den Täter und seine möglichen Motive spekuliert hätten. Sie hätten sich alle "sehr verantwortlich verhalten". Der Vorfall habe einmal mehr gezeigt, "dass bei allen Bemühungen einer staatlichen Gemeinschaft leider eine absolute Sicherheit nicht möglich ist", meinte Seehofer. Der Staat müsse aber weiterhin "alles tun, um solche Verbrechen in der Zukunft zu mindern oder vielleicht sogar zu verhindern".

Deko-Waffe und "Polenböller"

Die Polizei identifizierte inzwischen die beiden Todesopfer. Laut Staatsanwaltschaft und Polizei handelt es sich um eine 51-jährige Frau aus dem Kreis Lüneburg und einen 65-jährigen Mann aus dem Kreis Borken.

Die Polizei fand bei der Durchsuchung der Wohnung des Amokfahrers keine brauchbare Maschinenpistole vom Typ AK47, wie es hieß. Die Beamten hätten nur eine Dekorationswaffe und Feuerwerkskörper ("Polenböller") gefunden. Spezialisten hätten aus Sicherheitsgründen die Wohnungstür aufgesprengt, bevor die Beamten die Räume hätten untersuchen können. Am Samstagabend waren in Münster wiederholt Explosionsgeräusche zu hören gewesen.

Nach der Durchsuchung der insgesamt vier Wohnungen des Mannes - zwei davon in Münster, zwei in Ostdeutschland - gab es nach Polizeiangaben keine Hinweise auf ein politisches Tatmotiv. "Wir haben seit gestern Nachmittag in der ganzen Nacht die Wohnungen des Täters durchsucht", sagte der Polizeipräsident von Münster, Hajo Kuhlisch, am Sonntag: "Die erste, doch schon etwas intensivere Durchsicht hat keinerlei Hinweise auf einen politischen Hintergrund ergeben."  Die Ermittler gingen daher davon aus, "dass die Motive und Ursachen in dem Täter selber liegen". Das sei ein vorläufiger Stand, betonte Kuhlisch. Auch die Durchsuchung von Fahrzeugen und eines Containers hätten keine Hinweise auf einen politischen Hintergrund ergeben.

Unmittelbar nach der Tat hatte es Berichte über angebliche Kontakte des Täters in die rechtsextreme Szene gegeben. Einen islamistischen Hintergrund hatten die Behörden bereits zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen.

Unmittelbar nach der Amokfahrt hatten sich die Einsatzkräfte dem Campingbus mit großer Vorsicht genähert, da Beamte Drähte sahen, die ins nicht einsehbare Fahrzeuginnere führten. Experten des Landeskriminalamts aus Düsseldorf hätten dann das Fahrzeug auf mögliche Gefahren ausgiebig untersucht und letztlich Entwarnung gegeben, hieß es weiter. Ermittler hätten im Wagen die Waffe, mit der sich der Täter erschossen habe, sowie eine Schreckschusswaffe und rund ein Dutzend "Polenböller" gefunden.

Weitere Personen involviert?

Die Polizei lobte das besonnene Verhalten der Menschen. "Die Polizei konnte die notwendigen Maßnahmen schnell und reibungslos treffen", erklärte der Einsatzleiter, Polizeidirektor Martin Fischer. "Alle haben sich vorbildlich verhalten und den Tatortbereich sehr schnell verlassen." Nach Angaben der Polizei laufen inzwischen viele Hinweise ein - auch über ein Internetportal, das dafür eingerichtet wurde.

"Allein die Tatortaufnahme wird viel Zeit in Anspruch nehmen", erklärte Fischer zum Stand der Untersuchungen: "Wir brauchen Zeit, die Spuren auszuwerten und die Ergebnisse der Ermittlungen zusammenzuführen." Die Absperrung der Innenstadt wurde am Sonntagvormittag dann aufgehoben. Nur der Bereich unmittelbar um den Tatort herum blieb abgesichert.

Die Spurensuche am Tatort dauerte in der Nacht an. Leichen wurden dort erst im Dunklen abgeholt. Polizisten sperrten den Bereich weiter großräumig ab.

Keine Angaben machte die Pressemitteilung über Gerüchte, wonach zwei weitere Personen aus dem Transporter gesprungen und geflüchtet sein könnten. Hinweise auf eventuelle Mittäter des Amokfahrers, über die Zeugen berichtet hatten, gab es laut Polizei nicht.

Reaktionen aus Washington und Moskau

Die beschauliche Universitätsstadt Münster stand unter Schock. Spontan versammelten sich Bürger, um gemeinsam zu trauern. Im Paulus-Dom in Münster gibt es am Sonntagabend einen ökumenischen Gedenkgottesdienst, den Bischof Felix Genn leiten will.

US-Präsident Donald Trump meldete sich in der Nacht zu Wort. "Auch wenn die deutschen Behörden noch kein Motiv für diese feige Attacke auf unschuldige Menschen genannt haben, verurteilen wir sie dennoch", sagte Trump laut einer Mitteilung aus dem Weißen Haus. Die US-Regierung sage Deutschland jede nötige Hilfe zu. Trump drückte sein Bedauern für die Opfer aus. "Unsere Gedanken und Gebete sind bei den Familien derer, die getötet wurden. Den Verletzten wünschen wir eine vollständige Genesung", sagte der US-Präsident. Auch der russische Präsident Wladimir Putin drückte sein Beileid aus. In einem Telegramm an den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel drückte er seine Anteilnahme aus und wünschte den Verletzten eine rasche Genesung.

(APA/Reuters/dpa)

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