Todesfahrt in Münster: Mehrere Menschen noch in Lebensgefahr

"Warum" fragen sich viele Münsteraner nach der Amokfahrt vor dem beliebten Lokal "Kiepenkerl".
"Warum" fragen sich viele Münsteraner nach der Amokfahrt vor dem beliebten Lokal "Kiepenkerl".APA/AFP/MICHAEL GOTTSCHALK
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Noch sieben Patienten sind in stationärer Behandlung. Die Polizei verfolgt weiterhin die Einzeltäter-Theorie. Laut Kriminologen zeige der Täter alle Merkmale eines Amokläufers.

Zwei Tage nach der Todesfahrt eines Mannes in der Altstadt von Münster haben sich bis zu drei Verletzte noch in Lebensgefahr befunden. Es würden sieben Patienten am Universitätsklinikum Münster stationär versorgt, drei von ihnen rangen nach wie vor mit dem Tod, sagte Michael Raschke, Direktor der Klinik, am Montag. Die Polizei sprach von zumindest zwei Patienten in lebensbedrohlichem Zustand.

Am Samstagnachmittag war ein 48-Jähriger mit einem Campingbus in eine Menschenmenge vor dem beliebten Traditionslokal "Großer Kiepenkerl" gerast. Dabei wurden zwei Menschen getötet und mehr als 20 zum Teil schwer verletzt. Der Täter erschoss sich unmittelbar danach im Fahrzeug. Nach bisherigen Erkenntnissen war die Tat nicht politisch motiviert.

Der Mann soll labil gewesen sein und Medienberichten zufolge zuvor schon einen Selbstmordversuch unternommen haben. Am Sonntag war bekannt geworden, dass der Mann wegen psychischer Probleme Kontakt zum Gesundheitsamt in Münster hatte und suizidale Gedanken äußerte.

"Spricht sehr viel dafür, dass es ein Einzeltäter war"

"Es sieht ganz so aus, dass es sich um einen psychisch labilen und gestörten Täter handelt, der offensichtlich schon länger darüber nachgedacht hat, sich das Leben zu nehmen", sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) dem Sender WDR 5. Es würden zwar nach wie vor auch mögliche andere Hintergründe geprüft. "Aber es spricht schon sehr, sehr viel dafür, dass es ein Einzeltäter war."

Die Ermittler wollten eine Art Bewegungsprofil des Todesfahrers erstellen. "Wir konzentrieren uns jetzt mit unseren Untersuchungen insbesondere darauf, ein möglichst umfassendes Bild über das Verhalten des Täters in den Vorwochen zu erhalten", sagte der Polizeipräsident von Münster, Hajo Kuhlisch.

Langes "Erklärungsschreiben"

Der Täter, ein Industriedesigner, habe Ende März ein Mail an mehrere Bekannte geschrieben, teilte die Polizei mit. "Aus dem Inhalt ergaben sich vage Hinweise auf suizidale Gedanken, aber keinerlei Anhaltspunkte für die Gefährdung anderer Personen." Der Mann soll in dem Mail und auch in einem langen Schreiben, das in seiner weiteren Wohnung im sächsischen Pirna gefunden wurde, über Schuldkomplexe, Zusammenbrüche und Ärztepfusch geklagt haben. Er soll aus dem sauerländischen Olsberg stammen, wuchs in Brilon auf und lebte seit längerer Zeit in Münster.

Nach Ansicht des Kriminologen Christian Pfeiffer zeigt der Täter alle Merkmale eines Amokläufers. Der Mann sei offenkundig "ein einsamer Wolf ohne soziale Bindung und sozialen Erfolg", sagte Pfeiffer der "Nordwest-Zeitung" (Montag) in Oldenburg. Aus so einer Ohnmachtserfahrung könne sich der Wunsch nach Macht entwickeln. "Der Amokläufer möchte Herr über Leben und Tod anderer Menschen sein, möchte die Panik in ihren Augen sehen, wenn er sie mit tödlicher Wucht angreift", sagte Pfeiffer. "Das soll ihn entschädigen für all die Niederlagen und Demütigungen, für die er andere verantwortlich macht."

Innenminister Seehofer warnt

Nach der Todesfahrt in Münster und Hinweisen auf einen geplanten Anschlag in Berlin warnte der deutsche Innenminister Horst Seehofer vor weiteren Attacken. "Wir haben eine sehr angespannte Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland, nach wie vor", sagte er am Montag vor einer CSU-Vorstandssitzung in München. "Das heißt: Mit einem Anschlag muss jederzeit gerechnet werden." Vor diesem Hintergrund sei es richtig, wenn die Sicherheitsbehörden sehr aufmerksam seien "und auch Konsequenzen ziehen, wenn es aus ihrer Sicht notwendig ist".

Die CSU hat unterdessen die AfD-Politikerin Beatrix von Storch zum Verzicht auf ihr Bundestagsmandat aufgefordert. CSU-Generalsekretär Markus Blume sagte am Montag vor einer CSU-Vorstandssitzung in München zu den islamfeindlichen Tweets von Storchs zur Amokfahrt von Münster, "wer dieses Ereignis in der Weise ausschlachtet wie es Frau von Storch getan hat, der hat in einem Parlament in Deutschland nichts verloren".

(APA/Reuters/AFP/dpa)

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