Probleme mit dem EU-Türkei-Deal weiten sich aus

Ankara erfüllte internationale Standards bei der Flüchtlingsbetreuung nicht.
Ankara erfüllte internationale Standards bei der Flüchtlingsbetreuung nicht.REUTERS
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Die Mitgliedstaaten streiten, wer das vereinbarte Geld zahlt. Die Verwendung eines Teils der bisher überwiesenen Mittel ist ungeklärt. Ankara erfüllte zudem internationale Standards bei der Flüchtlingsbetreuung nicht.

Wien. Kommende Woche wird die EU-Kommission einen kritischen Bericht zu Beitrittsvorbereitungen der Türkei vorlegen, von dem schon einige Details bekannt sind. Das Erdoğan-Regime kommt dabei alles andere als gut weg – mit einer Ausnahme: Ausdrücklich wird die gute Zusammenarbeit in der Flüchtlingspolitik gelobt. Doch was von Brüssel und einigen Regierungen als Erfolg dargestellt wird, ist in Wahrheit ein sich ausweitendes Problemfeld.

Zwar hat der von der deutschen Bundeskanzlerin, Angela Merkel, und der EU-Kommission ausgehandelte Deal die Zahl an neu ankommenden Migranten in Griechenland reduziert. Doch hinter den Kulissen sorgt diese Kooperation für immer neue Konflikte. Da ist, wie der „Standard“ am Freitag berichtete, zum einen ein entbrannter Streit zwischen den Mitgliedstaaten, wer für die restlichen drei Milliarden Euro aufkommen soll, die der Türkei für ihre Kooperation versprochen wurden. Einige EU-Regierungen wollen sich, dass dieses Geld aus dem EU-Haushalt bezahlt wird, und verweisen darauf, dass Merkel von sich aus diesen Deal forciert hatte.

Es gibt aber auch zahlreiche Unregelmäßigkeiten bei den bisher überwiesenen Geldern. Die EU-Staaten haben vereinbart, den Großteil der Mittel nicht der türkischen Regierung, sondern einzelnen Projekten zur Verfügung zu stellen, die für die Flüchtlingsbetreuung in der Türkei notwendig sind. Wie der „Spiegel“ gemeinsam mit dem Netzwerk European Investigative Collaboration (EIC) recherchierte, wurde allerdings bisher nicht einmal die Hälfte der finanzierten Projekte – darunter Krankenhaus- und Schulneubauten – umgesetzt. Obwohl die Flüchtlingskrise die Türkei nach wie vor belastet, wurden einzelne Vorhaben sogar auf das Jahr 2021 verschoben. Ähnlich ist es mit jenen 660 Millionen Euro, die direkt an das türkische Bildungs- und Gesundheitsministerium sowie die staatliche Migrationsbehörde überwiesen wurden. Hier fehlt für mehrere Millionen Euro eine Dokumentation zu deren Verwendung.

Humanitär fragwürdig

Auch humanitär funktioniert der Deal schlecht. Die Türkei hält zwar Migranten vor einer Weiterreise ab. Doch hält sie sich selbst beim Umgang mit diesen Menschen nicht immer an internationales Recht. Und das, obwohl sie sich dazu verpflichtet hat. Das kritisierte zuletzt die Politologin Zeynep Kasli bei einem Vortrag in Wien. „Nichtsyrische Flüchtlinge werden in der Türkei meist in Ausweiszentren untergebracht, in denen sie keinen Kontakt zur Außenwelt haben und auch keinen Anwalt verständigen können.“ Sie würden danach auch in Länder ausgewiesen, in denen sie nicht sicher seien.

Zudem kommt Griechenland mit den ankommenden Flüchtlingen, die es noch auf eine der Inseln schaffen, nicht klar. Die vereinbarte Rückführung in die Türkei funktioniert nur schleppend, weil die griechischen Behörden mit den Asylverfahren überfordert sind. Die Zustände in den Lagern wurden zuletzt von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen als Schande bezeichnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2018)

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