Das Bier, der Schweinskopf und die Weinfässer

Braumeister Jörg Gartler lässt seine Biere gerne im Weinfass lagern und verwendet unterschiedlich stark geröstetes Bio-Malz.
Braumeister Jörg Gartler lässt seine Biere gerne im Weinfass lagern und verwendet unterschiedlich stark geröstetes Bio-Malz.(c) Clemens Fabry
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Jörg Gartler hat in seiner Brauküche 35 schon Schweinsköpfe eingebraut. Derzeit lässt er Bier im Weißburgunderfass reifen – immerhin befindet sich die Brauerei im Weinviertel.

Ein Glück, dass Jörg Gartler und seine Familie keinen Bedarf für eine Doppelgarage haben. „Die brauchen wir nicht und irgendwas muss man mit den alten Stallungen tun“, sagt der gelernte Biotechnologe, der vor ein paar Jahren von einer Neuseelandreise das Bierbrauen als neues Hobby mit nach Hause gebracht hat. Zuerst hat er gemeinsam mit seiner Frau Kathrin Erlebach und seinem Bruder Rainer Gartler begonnen, daheim in der eigenen Wohnung (damals noch in Wien) Bier zu brauen. Das habe von Anfang an geschmeckt. Irgendwann hat sich das Ehepaar in Schalladorf im Weinviertel einen hübschen Zweitwohnsitz – ein altes Bauernhaus – zugelegt. Immerhin stammt Gartler aus Hadres, das nur rund zehn Kilometer entfernt liegt (beides gehört zum Bezirk Hollabrunn).

Das Hobby wurde größer, irgendwann wurde der Zweit- zum Erstwohnsitz und diesem eine kleine Brauerei angehängt. Einfach sei das nicht immer gewesen. Dass er aus der Gegend stammt, hat ihm nicht viel genutzt. Ein paar Neidern ist es gelungen dem „Zuagrasten“ die Betriebsanlagengenehmigung wenn auch nicht zu verhindern, so doch zu verzögern.

„Von der Widmung her könnte ich hier einen Schweinestall bauen, der ist für Nachbarn wesentlich unangenehmer. Eine kleine Brauerei macht weder Lärm noch riecht man etwas. Aber manche sind einfach aus Prinzip dagegen“, sagt er. Mittlerweile wird die Brauerei aber gut angenommen. Selbst die Dorfjugend kauft bei ihm für Feste ein. Natürlich sei sein Bier teurer als im Supermarkt, beim Fassbier könne er aber ganz gut mithalten – und Fass, Zapfanlage sowie persönliches Service bieten.

Mit Bier aus dem Supermarkt kann man die Produkte der Brauküche 35 auch nicht vergleichen. Handelt es sich doch um eine kleine, kreative Brauerei, die den Begriff zwar nicht bewusst forciert, aber durchaus in die Kategorie Craft Bier einzustufen ist.

Fünf Standardbiere hat Braumeister Gartler im Programm, dazu kommt eine Reihe an Spezialbieren, die nur in limitierter Stückzahl erhältlich sind. Wobei auch die Standardbiere recht kreativ sind: neben einem hellen Hausbier und einem Weizenbier gibt es ein belgisches Spezialbier (Golden Bay), ein Red Ale (Rotalechen) und ein besonders leichtes Pils (Relax), das Gartler dank dem fruchtigen Hopfen-Aroma gern als Alternative zum Radler anbietet (eine Limonade wurde dem Bier allerdings nicht beigemengt).

Derzeit arbeitet der Braumeister gerade an einer Spezialausgabe des Bieres Golden Bay (dabei handelt es sich um den belgischen Bierstil Saison, der einem Pale Ale ähnelt, aber fruchtiger und spritziger ist). Gartler hat das Golden Bay (der Name ist eine Hommage an die Neuseelandreise) mit den Hopfensorten Hallertau Blanc und Enigma gestopft, die geschmacklich in Weinrichtung gehen. Außerdem lässt er das fertige Bier etwa ein halbes Jahr in einem Holzfass reifen, in dem zuvor Weißburgunder gelagert wurde. „Nachdem wir in einer Weinregion sind und ich sehr fassaffin bin, hab ich das einmal ausprobiert.“

Flaschengärung wie beim Sekt

Gebraut wird übrigens recht traditionell, die Biere werden weder pasteurisiert noch filtriert. „Das Besondere ist, dass wir die Hauptgärung im Gärtank machen, aber die Nachgärung passiert in der Flasche oder im Fass. Gartler vergleicht das mit Schaumwein: auch hier wird wie bei Sekt, im Unterschied zu Frizzante, nicht die Kohlensäure im Tank zugesetzt, sondern diese entsteht natürlich bei der zweiten Gärung in der Flasche. Das sei beim Bier nicht anders. „Ich finde es gibt dadurch einen geschmacklichen Unterschied, die Kohlensäure ist angenehmer“, erklärt der Braumeister. Diese Methode sei aber natürlich aufwendiger und arbeitsintensiver. Generell werde sehr handwerklich gearbeitet. Er habe sich einmal ausgerechnet, wie oft er jede Flasche in die Hand nimmt und sei auf zehn Mal gekommen.

Zuletzt hat er ein besonders kreatives Bier gebraut: das Mangalitza Milk Stout, bei dem Mangalitza-Schweineköpfe beim Hopfenkochen ähnlich wie bei einer Suppe ausgekocht wurden. Ein Mangalitza-Schweinezüchter kam auf den Bierbrauer zu und wollte ein passendes Bier zu seinem Fleisch. Gartler hat recht lange daran in seiner kleinen Experimentier-Brauanlage getüftelt (die noch aus den Hobby-Zeiten stammt). „Fett haut jeden Bierschaum zusammen, das merkt man zum Beispiel beim Lippenstift am Bierglas. Und es hemmt die Hefe.“ Nach langem Probieren hat es dennoch geklappt. Er hat sich für den Bierstil Milk Stout entschieden, bei dem der zugegebene Milchzucker nicht die ganze Hefe verarbeiten kann und eine Restsüße erhalten bleibt. Da die Schweineschädel geräuchert waren, hat auch das Bier eine recht rauchige Note.

Als nächstes will Gartler an einem Kirschsauerbier arbeiten, auch ein Weintraubensauerbier schwebt ihm vor. Allerdings kann er das wegen der Wildhefe nicht in der Brauerei machen, da diese die anderen Bierstile infizieren würde. Gartler möchte ohnehin ausbauen und auch eine kleine Landwirtschaft an den Betrieb hängen, um vorerst den Hopfen und später auch die Braugerste selbst anzubauen. In einem eigenen Keller sollen dann die Sauerbiere gemacht werden.

Seit rund eineinhalb Jahren gibt es die Brauküche 35 (die Zahl bezieht sich auf die Hausnummer, der Name auf die Entstehungsgeschichte und die Funktion des Bieres als Speisenbegleiter). In Zukunft will Gartler nicht nur einmal, sondern zwei Mal die Woche brauen. 450 Liter können pro Durchgang gebraut werden. Je nach Bierstil dauert es mehrere Wochen bis Monate bis ein Bier fertig ist. „Es soll aber trotzdem ein kleiner Familienbetrieb bleiben“, sagt Gartler, der nach wie vor von seiner Frau und seinem Bruder unterstützt wird. Auch Braukurse werden angeboten. „Das Feedback ist positiv. Viele freuen sich, dass sich hier etwas tut.“

Auf einen Blick

Braumeister Jörg Gartler betreibt gemeinsam mit seiner Frau Kathrin Erlebach und seinem Bruder Rainer Gartler die kleine Brauerei namens Brauküche 35 im Weinviertel. Neben fünf Standardbieren werden laufend Spezialitäten in limitierter Stückzahl produziert. Verkauft werden die Biere in 0,3- oder 0,75-Liter-Flaschen, sowie im Fass (Hausbier 1,60 Euro/0,3l). Erhältlich sind die Biere ab Hof (Freitag 15–18 Uhr, Samstag 10–14 Uhr) und in diversen Feinkost- und Bierfachgeschäften. Es werden auch Brauereiführungen, geführte Verkostungen und Braukurse angeboten.
2022 Schalladorf 35, www.braukueche35.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2018)

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