60 Jahre Castros sind genug, findet Raúl. Er tritt nach 12 Jahren als Staatschef ab. Dem Land geht es nicht besser als zu Zeiten Fidels.
Havanna. Auf einer Insel des gefühlten Stillstandes sind zwölf Jahre eine halbe Ewigkeit. So lang gab sich Raúl Castro Zeit, in Kuba das zu verwirklichen, was sein großer Bruder Fidel in einem halben Jahrhundert nicht geschafft hatte: den „prosperierenden und nachhaltigen Sozialismus“. Raúl versprach ihn dem Volk – und ist gescheitert. Jetzt ist der General 86 Jahre alt und müde. Diese Woche tritt er als Staats- und Regierungschef zurück.
Es ist das offizielle Ende der Ära Castro nach 60 Jahren. Doch da Kuba durch und durch das Kuba der Castros ist und auch bleiben soll, geht Castro II. erst einmal nur in Halbpension. Er, der 2006 auf Befehl des kranken Fidels alle dessen Ämter übernehmen musste, gibt die Regierungsmandate ab, bleibt aber die Nummer eins der Kommunistischen Partei – gemäß Verfassung die höchste Instanz im Land. Der von Raúl schon vor Jahren designierte Nachfolger an der Regierungsspitze heißt Miguel Díaz-Canel, 57, ein linientreuer Parteisoldat. Ob er nächste Woche tatsächlich zum neuen Staatschef ernannt wird, weiß nur der engste Kreis im abgeschotteten System Castro.
Neue Freiräume und neue Armut
Kubas Zukunft liegt künftig also gleichzeitig in neuen und alten Händen. Sie müssen gemeinsam ein leckgeschlagenes Schiff steuern, das mit Raúl auf der Kommandobrücke ziellos umhergeschlingert ist. Der Kapitän wollte im kleinsten Gang langsam vorwärtstuckern, ohne genau zu wissen, wohin. Zwischendurch legte er immer wieder den Rückwärtsgang ein. Das Volk an Deck hängt matt an der Reling und sehnt sich nach einem neuen Land, das nirgends in Sicht ist.