Justiz: „War den Abgeordneten das Hemd näher als die Hose?“

Einen Auflauf wie Dienstagmittag hat der Justizpalast selten noch erlebt.
Einen Auflauf wie Dienstagmittag hat der Justizpalast selten noch erlebt. (c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Dass die Parlamentarier sich selbst mehr Geld genehmigten, aber bei Gericht sparen, erbost die Vertreter der Richterschaft besonders.

Wien. Im Wiener Justizpalast ist die Juristendichte naturgemäß recht hoch. Doch einen Auflauf wie Dienstagmittag hat das Gebäude selten noch erlebt. Richter, Staatsanwälte und Kanzleibedienstete auf den breiten Stufen, volle Ränge auf der Galerie, dazu Menschentrauben, die im Erdgeschoß standen. Daran, die Versammlung wie geplant im Festsaal abzuhalten, war nicht zu denken. Stattdessen ergriffen die Standesvertreter von der Stiege in der Eingangshalle aus das Wort, unter den Augen der über sie wachenden Justitia-Statue.

Der Adressat der Versammlung: Die Politik, mit deren Sparvorgaben die Justiz trotz Zugeständnissen unzufrieden ist. Zwar sollen nun doch nicht 40 Richterposten gestrichen werden. Doch die Frage der Finanzierung ist nicht ganz geklärt, denn es gibt kein zusätzliches Geld für das Justizbudget. Und beim Kanzleipersonal sei die Regierung ganz bei ihren Sparplänen geblieben, kritisierten die Standesvertreter in ihren Reden.

Besonders erbost Sabine Matejka, die Präsidentin der Richtervereinigung, dass die Parlamentarier sich selbst 5,75 Millionen Euro an zusätzlichem Budget genehmigt haben. Damit sollen Unterstützungsleistungen und Schulungen für Abgeordnete finanziert werden.

„War den Abgeordneten das Hemd näher als die Hose, frage ich mich“, rief Matejka. Mit diesem Geld könnte man die Probleme der Justiz, die übrigens die Schulungskosten ihrer Bediensteten um 40 Prozent kürzen müsse, lösen, betonte die Richterin. Auch, dass man das Justizbudget mit der Auflösung von Rücklagen des Justizministeriums retten will, beruhigt Matejka nicht. „Der Rücklagentopf ist kein Goldesel.“ Dieser werde bald erschöpft sein, warnte sie. Dazu kommt, dass laut Experten Rücklagen gar nicht für Richterposten verwenden dürfen.

Ministerium kalmiert

Das Justizministerium hält die Befürchtungen hinsichtlich Engpässen beim Richter-Personal für überzogen. Dadurch würden nicht - wie seitens der Richterschaft befürchtet - 70 Richter in einem Jahr gebunden, hieß es am Dienstag aus dem Ressort. Richtig sei, dass durch das neue Erwachsenenschutzgesetz ein Mehrbedarf an Richtern entstehe. Dieser werde aber nicht bei 70, sondern bei 13 Richtern pro Jahr liegen. Denn es müssten nicht alle Sachwalterschaftsverfahren innerhalb eines Jahres erneuert werden - dafür habe der Gesetzgeber eine Übergangsphase von fünfeinhalb Jahren vorgesehen.

Wie geht es mit Moser weiter?

Sobald Justizminister Josef Moser nach seiner Blutvergiftung wieder ganz fit ist, soll ein Gespräch zwischen Moser, Strache und Justizbediensteten Klarheit bringen. Der Reform- und Justizminister setzte sich für ein höheres Justizbudget ein. Doch der selbstbewusste Moser hat innerhalb der ÖVP prominente Gegner. Und die sollen durch seine interne Rücktrittsdrohung für den Fall, dass seine Wünsche unberücksichtigt bleiben, nicht weniger geworden sein.

Für die Justizvertreter ist die Angelegenheit mit dem anstehenden Budgetbeschluss des Parlaments jedenfalls nicht erledigt. „Nach dem Budget ist vor dem Budget“, sagte Matejka. Es folgte langer Applaus ihrer Kollegen. Die Justiz will ihre Verhandlungen um mehr Budget nicht beenden, sondern höchstens vertagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2018)

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