Eiskunstlauf: Vierfach vielfach nicht einfach

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Beim olympischen Turnier sind viele Eiskunstläufer am Vierfachsprung gescheitert. Der Amerikaner Evan Lysacek hat ihn gar nicht erst versucht – und gewonnen.

Vancouver. Was hat der Österreicher Viktor Pfeifer dem US-amerikanischen Eiskunstlaufolympiasieger Evan Lysacek voraus? Pfeifer hat in seiner Kür zumindest den vierfachen Toeloop probiert. Nicht gestanden. Auch beim dreifachen Lutz setzte es Pfeifer aufs Eis. Deshalb wurde er 21. und war dennoch überglücklich. Denn ansonsten lief der Vorarlberger sehr ordentlich.

Ordentlich sauer war hingegen Jewgeni Pluschenko. Der russische Olympiasieger von Turin war nach Vancouver gekommen, um sich seine zweite Goldmedaille abzuholen. Und nach seinem Lauf, den er mit einem vierfachen – in Kombination mit einem dreifachen – Toeloop begonnen hatte, dachte er: „Das war jetzt die Goldmedaille.“

Athletik oder Ästhetik?

„Ich dachte, es reicht und es hätte auch zum Sieg reichen müssen“, meinte ein sichtlich enttäuschter Pluschenko. Die Silbermedaille hatte er sich gleich nach der Siegerehrung vom Hals gerissen. Auf seinem Weg auf das Podest kletterte er demonstrativ auf die oberste Treppe, bevor er sich schließlich auf dem Platz rechts von Lysacek niederließ.

Über die Entscheidung im Pacific Coliseum von Vancouver wird noch lange diskutiert werden. Es war ein Abend, der die Geister trennt. Es geht um die Frage: Was ist höher zu bewerten – Athletik oder Ästhetik?

Die Punkterichter haben sich in der Nacht auf Freitag für Letzteres entschieden. Der 24-jährige Weltmeister hatte als einziger Topläufer keinen Vierfachen im Programm. Dafür setzte er seine acht Dreifachsprünge mit Leichtigkeit und Geschmeidigkeit aufs Eis. Der Mann aus Chicago mit tschechischen Wurzeln überzeugte die Jury mit Pirouetten und Schrittkombinationen in atemberaubendem Tempo. Als Musik wählte er Rimski Korsakows „Serenade“. Nur sein Haar hatte zu viel Gel abbekommen und erinnerte an das schwarze Plastiktoupet eines Playmobilmännchens. Am Ende erhielt Lysacek 257,67 Punkte und verdrängte den nach dem Pflichtprogramm führenden Russen um 1,31 Punkte.

Wie ein Playmobilmännchen

„Ein Traum ist wahr geworden. Ich sah, wie die amerikanische Fahne aufgezogen wurde und konnte noch immer nicht glauben, dass das für mich ist.“ Evan Lysacek spricht also auch wie eine Playmobilfigur. Seine Sätze sind synthetisch und nichtssagend. Das mag auch der Grund sein, warum er in der Popularität weit hinter seinem Landsmann Jonny Weir rangiert. Weir wurde zwar nur Sechster, durfte aber die meisten Stofftiere mit nach Hause nehmen. Er war der Publikumsliebling.

Und Jewgeni Pluschenko? Der Russe war zweifelsohne der beste Athlet im Feld. Er stand den Vierfachsprung sicher. Auch den dreifachen Axel, den er zweimal hintereinander aufs Eis fegte. Doch der Kraftaufwand war sichtbar. Die Landungen waren härter als bei Lysacek. Pluschenkos „Tango Amore“ stieß bei den Juroren auf weniger Gegenliebe.

Im Gegensatz zum Amerikaner, der sein Programm genau so absolvierte, wie er es zuvor angekündigt hatte, strich Pluschenko einen doppelten Rittberger aus seinem Lauf. Ein vermeintlich kleiner, einfacher Sprung für einen großen dreifachen Weltmeister, Olympiasieger und nun zweifachen Silbermedaillengewinner. Doch am Ende fehlte gerade dieser Sprung für Gold.

„Ich werde nach dieser Niederlage nicht zurücktreten“, meinte der 27-jährige Pluschenko trotzig. Und somit findet das Duell der beiden Rivalen bei der Weltmeisterschaft im März in Turin wohl eine Fortsetzung.

Daisuke Takahashi errang als erster Japaner im Eiskunstlauf eine olympische Medaille. Und das, obwohl er den vierfachen Toeloop so wie die meisten im Feld auf dem Hosenboden beendete. Er verwies Stephane Lambiel auf den vierten Rang. Und auch hier gab es mehrere Stimmen, die den zweifachen Weltmeister aus der Schweiz als würdigeren Bronzemedaillengewinner erachteten. Der 24-Jährige hatte gar zwei Vierfache im Programm, wobei er beim ersten mit der Hand aufs Eis langen musste.

„Das Publikum will viele Vierfachsprünge sehen“, ist Pluschenko trotz allem überzeugt: „Alles andere wäre ein Rückschritt im Eiskunstlauf.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2010)

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