Ab Dienstag beginnt in Wiener Neustadt ein wahrer Monsterprozess.
13Tierschützer haben ab Dienstag „das Verbrechen der kriminellen Organisation“ zu verantworten. So steht es in der 330 Seiten starken Anklage. Gemeint ist freilich der umstrittene Mafia-Paragraf (§278a Strafgesetzbuch).
Ist es wirklich der Großangriff auf eine couragierte, mitunter in gesetzliche Randzonen vorstoßende Zivilgesellschaft, wenn Tierschützer mit Mitteln verfolgt werden, die zur Bekämpfung von Mädchenhändlerbanden oder Drogenkartellen gedacht sind? So gefragt muss die Antwort „Ja“ lauten. Andererseits: Nicht alle Tierschützer sind harmlose Idealisten. In der Anklage ist auch von Nötigung und Sachbeschädigung (meist ging es gegen Textilhäuser, die Pelze verkaufen), sogar von Tierquälerei die Rede (Tierschützer befreiten Schweine aus Käfigen, einige Tiere verendeten irgendwo am freien Feld).
Die Kritik, die sich die Anklage gefallen lassen muss: Da die Zuordnung konkreter illegaler Akte zu bestimmten Verdächtigen vielfach nicht möglich war, bediente sich der Staatsanwalt kurzerhand des Mafia-Paragrafen. Denn der ist, zynisch gesagt, durchaus praktisch. Er erfasst nämlich Verbindungen, die auf die Begehung von Straftaten ausgerichtet sind. Die Strafbarkeit setzt also ein, bevor die eigentlichen Taten überhaupt richtig vorbereitet, geschweige denn ausgeführt wurden. Hat man die Mafia vor Augen, ist so eine Bestimmung nützlich. Bei Tierschützern ergibt sich eher das Bild vom Schießen mit Kanonen auf Spatzen.
Staatsrechtler Bernd-Christian Funk kritisierte die Unbestimmtheit von Tatbeständen, zu denen auch der ominöse § 278a StGB zählt, und warnte vor einer Entwicklung zur „Misstrauensgesellschaft“ bis hin zur „Gefängnisgesellschaft“. Letzteres können die Tierschützer bestätigen, waren zehn von ihnen doch bereits ca. 100 Tage in U-Haft.
Längst hat das Verfahren auch politische Dimensionen. Der Obmann des Vereins gegen Tierfabriken (VGT) Martin Balluch, der Hauptangeklagte, wurde von den Grünen 2008 demonstrativ auf die Bundeswahlliste gesetzt. Die Wiener Grünen setzten eine der seinerzeit inhaftierten Aktivistinnen auf die Landesliste.
Wenngleich die Tierschützer nun in der breiten öffentlichen Debatte punkten konnten, müssen sie sich nun auf einen wahren Monsterprozess einstellen: Allein bis Jahresmitte sind nicht weniger als 34 Verhandlungstage anberaumt. So oft als Beschuldigter vor Gericht zu sitzen (inklusive Anwaltskosten) kann jeden, ob schuldig oder nicht schuldig, ziemlich zermürben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2010)