Palästinenser ziehen ihren Botschafter aus Wien ab

Außenministerin Karin Kneissl stellte klar, dass aus der Teilnahme am Empfang keinerlei völkerrechtliche Implikationen herauszulesen seien.
Außenministerin Karin Kneissl stellte klar, dass aus der Teilnahme am Empfang keinerlei völkerrechtliche Implikationen herauszulesen seien. REUTERS
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Die PLO protestiert gegen die Teilnahme des österreichischen Botschafters beim Empfang vor der Eröffnung der neuen US-Vertretung.

Jerusalem/Wien. Die Palästinenser haben ihren Botschafter, Salah Abdel Shafi, auf unbestimmte Zeit aus Wien zurückbeordert. Damit protestieren sie dagegen, dass Österreichs Botschafter in Israel, Martin Weiss, am Vorabend der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem einem feierlichen Empfang des israelischen Außenamts beigewohnt hat. Mit der Teilnahme habe Österreich einen „klaren Verstoß gegen Völkerrecht und UN-Resolution gesetzt“, ließ Shafi wissen.

Außenministerin Karin Kneissl hatte zuletzt in der „ZiB 2“ klargestellt, dass aus der Teilnahme am Empfang keinerlei völkerrechtliche Implikationen herauszulesen seien. Österreich halte an einer Zweistaaten- und Verhandlungslösung für Jerusalem fest. Gegenüber der „Presse“ nahm ihr Sprecher die Zurückbestellung des PLO-Botschafters „angesichts der jahrzehntelangen engen freundschaftlichen Beziehungen mit Bedauern zur Kenntnis“. Die Palästinenser holten zudem ihre Botschafter aus Prag, Budapest und Bukarest zurück. Auch die Vertreter Tschechiens, Ungarns und Rumäniens hatten dem israelischen Empfang beigewohnt.

Guatemala eröffnet Botschaft

Nach den USA eröffnete am Mittwoch auch Guatemala eine Botschaft in Jerusalem. Die Einweihung der US-Botschaft hatte schwere Unruhen ausgelöst. Bei einem Sturm auf den israelischen Grenzwall starben am Montag 60 Palästinenser im Gazastreifen. Seither hat sich die Situation etwas beruhigt.

Der hohe Blutzoll hat zwar weltweit, aber in Israel selbst kaum Kritik ausgelöst. Am Dienstagabend fanden gerade einmal vier kleine Demonstrationen statt, drei davon in arabischen Ortschaften Israels und eine in Tel Aviv, wo einige Hundert jüdische und arabische Israelis für kurze Zeit die King-George-Straße im Zentrum der Stadt blockierten. „Wir gehen zusammen ohne Gewalt und ohne Angst!“, riefen die Demonstranten und hielten Schilder hoch, wie „Befreit das Ghetto Gaza“ und „Lieberman nach Haag“. Verteidigungsminister Avigdor Lieberman steht hinter dem Schießbefehl. Auf Twitter nannte er am Mittwoch die Hamas-Führung eine „Bande von Kannibalen“.

Israelis suchen Schuld bei Hamas

Dov Khenin, Parteigenosse Sleimans in der Vereinten Liste, hielt im Verlauf der Demonstration seine Mitstreiter dazu an, nicht aufzugeben. „Gerade in Momenten wie diesen ist es entscheidend, die andere Stimme zu Gehör zu bringen.“ Die Gegner von Besatzung und Krieg wollen sich „nicht zum Schweigen bringen lassen“.

Nur wenige Demonstranten und die antizionistische Partei schwimmen gegen den Strom. Die überragende Mehrheit der Israelis schiebt die Verantwortung den Palästinensern zu. Unter den Tageszeitungen bleibt die linksliberale „Haaretz“ allein kritische Stimme, während andere Medien den „Marsch der Dummen“ und die „Hetze der Hamas zur Gewalt“ kommentierten. Ravit Hecht schreibt in „Haaretz“, dass die Tel Aviver Feiern für die Song-Contest-Siegerin Barzilai am Tag der Unruhen in Gaza „Sache für einen Psychiater“ seien. Nur ein Fachmann könne erklären, wie eine so „ungeheure Verdrängung möglich ist“. Ein großartiger Experte müsse man hingegen nicht sein, um zu verstehen, dass „schreckliches Unheil“ hinter der Grenze heranwachse. (kna/cu/APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2018)

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