Vorbild USA: Warum Länder ihre Botschaft nach Jerusalem verlegen

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Guatemala, Honduras und Paraguay kündigten an, dem Beispiel der USA bald folgen zu wollen. Gerade Südamerika verbindet eine enge historische Beziehung mit Israel. Doch es gibt auch innenpolitische Gründe.

Nach den USA kündigte nun auch die Regierung von Guatemala an, die Botschaft des Landes umzusiedeln. Für die Einweihung des neuen Standorts will Präsident Jimmy Morales bereits am Mittwoch nach Israel reisen, wie die Regierung des zentralamerikanischen Staates mitteilte. Auch Paraguay verlautbarte, seine Botschaft in der kommenden Woche zu verlegen, in Honduras gibt es ähnliche Bestrebungen: Der dortige Kongress beauftragte bereits das Außenministerium, die Verlegung voranzutreiben. Auch Tschechien ist Teil dieser kleinen Gruppe von Staaten, die mit der Verlegung ihrer Auslandsvertretungen spekulieren. Präsident Miloš Zeman sprach bereits vergangenen Monat davon, die tschechische Botschaft nach Jerusalem verlegen zu wollen.

Interne Krisen als Motive

Warum aber gerade mehrere lateinamerikanische Staaten ihre Auslandsvertretungen verlegen, beurteilen Beobachter unterschiedlich. Arie Kacowicz, Professor an der Hebräischen Universität in Jerusalem und Lateinamerika-Experte, erkennt darin individuelle Interessen: So wollten sich deren Regierungschefs die Unterstützung der Trump-Regierung sichern, sagte Kacowicz der israelischen "The Times of Israel" am Dienstag.

Sowohl Guatemala als auch Honduras beschäftigen derzeit interne Krisen: Während Guatemalas Präsident Jimmy Morales durch einen Korruptionsskandal das mittelamerikanische Land beinahe in eine Staatskrise stürzte, überschatteten Manipulationsvorwürfe die Wiederwahl von Honduras' Präsident Juan Orlando Hernandez. Die Präsidenten beider Länder wollten sich durch die Botschaftsverlegungen die Unterstützung der USA sichern, meint auch Ralf Leonhard, Vorstand des Österreichischen Lateinamerika-Instituts. Morales stünde "innenpolitisch stark unter Druck". Die Entscheidung Paraguays ist für Leonhard ein Alleingang des noch amtierenden Präsidenten Horacio Cartes. Dieser habe die Verlegung ohne Absprache mit dem im April neu gewählten Präsidenten Mario Abdo Benítez "vorweg genommen".

Derzeit sehen sich viele Migranten, die von Zentralamerika in die USA emigrierten, von der restriktiven Einwanderungspolitik der Trump-Regierung bedroht. Für die Wirtschaft ihrer Heimatländer sind sie aber enorm wichtig: Ein Zehntel des Bruttoinlandsprodukts Guatemalas hängt von den Überweisungen der Migranten aus dem Ausland ab. Ein weiterer Grund für Morales, sich auf die Seite der US-Regierung zu stellen.

Hauptstadtkonflikt

Seit Jahrzehnten erhitzt der Konflikt um die Hauptstadt Israels die Gemüter. Sowohl Israel als auch Palästina erheben Anspruch auf Jerusalem als Hauptstadt, die seit 1967 von Israel kontrolliert wird. Die Palästinenser sehen in dem von den Israelis besetzten östlichen Teil der Stadt die Basis eines geforderten eigenen Staates. Die internationale Gemeinschaft versucht seither, die beiden Parteien zu einer friedlichen Klärung der Grenze zu bewegen. Mit der US-Botschaftsverlegung geraten diese Bestrebungen erneut ins Stocken.

Enge Verbindung seit Staatsgründung

Zusätzlich verbindet viele lateinamerikanische Staaten eine traditionell enge Beziehung mit Israel. 1948 war es Guatemala und dessen UN-Botschafter Jorge Garcia Granados, die den neu gegründeten Staat als erstes anerkannten. Elf weitere lateinamerikanische Staaten folgten und öffneten in Folge deren Botschaften in Israel. In den letzten 15 Jahren näherten sich Guatemala, Honduras und Parguay weiter an Israel an.

Die neu eröffnete US-Botschaft in Jerusalem trägt viel Symbolik in sich: Jerusalem ist für die USA nun die symbolisch wie völkerrechtlich anerkannte Hauptstadt Israels. Die davon provozierten blutigen Gewaltexzesse im Gazastreifen forderten seit Montag mehr als 50 palästinensische Todesopfer. Wegen eines Generalstreiks blieben am Dienstag in den Palästinensergebieten und Ost-Jerusalem alle Geschäfte geschlossen. Auch öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Universitäten waren betroffen. Drei Tage der Trauer wurden angekündigt.

Internationale Reaktion: Scharfe Kritik an Gewalt

Während die USA die Hamas für die Gewalt verantwortlich machen und eine im UNO-Sicherheitsrat geforderte Untersuchung des Blutvergießens ablehnen, fällt der Großteil der internationalen Reaktionen negativ aus. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete das Blutvergießen im Gazastreifen als Völkermord. "Egal von welcher Seite er kommt, von Amerika oder von Israel, ich verfluche dieses humanitäre Drama, diesen Genozid." Aus Protest zog die Türkei ihre Botschafter aus Washington und Tel Aviv ab. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verurteilte "die Gewalt der israelischen Streitkräfte gegen die Demonstranten" und bedauerte "die große Zahl ziviler palästinensischer Opfer in Gaza heute und in den vergangenen Wochen." Am Dienstag wolle er mit Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu sprechen. Die EU rief alle Akteure zur Zurückhaltung auf, die UNO forderte eine politische Lösung des Konflikts.

FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl verteidigte hingegen am Montag die Teilnahme Österreichs an der Einweihung der US-Botschaft. "Aus unserer Teilnahme am Empfang sind keinerlei völkerrechtliche Implikationen herauszulesen", sagte Kneissl im "ZiB 2"-Interview am Montag. Von den EU-Staaten waren lediglich Österreich, Rumänien, Ungarn und Tschechien der Einladung zur Eröffnung der neuen US-Botschaft gefolgt.

(juwe/Ag.)

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