Über den Fluss und in die Wälder: Geländewagen - die Letzten ihrer Art

Der neue Jeep Wrangler kommt noch heuer nach Österreich.
Der neue Jeep Wrangler kommt noch heuer nach Österreich.(c) Werk
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In Zeiten von Sports Utility Vehicles sind Geländewagen vom Aussterben bedroht. Jetzt wird nach 36 Jahren sogar der legendäre Mitsubishi Pajero eingestellt. Nur noch wenige Hersteller haben echte Offroad-Fahrzeuge im Programm.

Es war vor einigen Jahren bei einem Ausflug in die Karpaten. Ein steiler Weg führte durch den Wald nach oben, voller Wurzeln und tiefer Schlaglöcher. Eine Gruppe aus Deutschland kämpfte sich mit hochgezüchteten Geländewagen durch den Wald, vorn eine Seilwinde, Offroad-Reifen, Schaufeln auf dem Dach – was man eben so braucht.

Oben angekommen wurden sie mit einem atemberaubenden Blick über Teile Westrumäniens belohnt und mit einem anderen ziemlich ernüchtert: Neben ihren Geländeautos standen zwei alte Dacias mit Frontantrieb, ziemlich abgefahrenen Reifen – und leicht angetrunkenen Fahrern.

Man sieht: Geländewagen ist ein dehnbarer Begriff. Genauso wie Gelände. Für den Großteil der Autofahrer ist eine Fahrt über eine Schotterstraße schon ein Ausflug in die Wildnis. Und wer es wagt, sein SUV über einen Waldweg und durch ein Rinnsal zu steuern, fühlt sich schon, als hätte er die Rallye Dakar absolviert.

Es fehlt freilich auch an Spielplätzen. Was kein asphaltierter Weg ist, ist meist gesperrt. Ein echtes Offroad-Erlebnis muss man sich teuer im Ausland erkaufen. Und weil es keinen Lebensraum mehr für sie gibt, sterben die echten Geländewagen langsam aus.

Mitsubishi stellt heuer nach 36 Jahren den Pajero ein – eine Ikone, die zwölf Mal die Rallye Dakar gewonnen hat. Aber für diese markante Statur ist mit dieser Motorisierung in Zeiten von Fußgängerschutz und Abgasvorschriften kein Platz mehr.

Land Rover überarbeitet gerade den Defender, eine Legende, die ein Maßstab für alle geländegängigen Fahrzeuge ist. Toyota hat den nicht minder geschichtsträchtigen Land Cruiser angepasst und Jeep, das Synonym für Geländewagen, bringt im Sommer einen neuen Wrangler nach Europa.

Was man bei all diesen Änderungen sieht: Die Autos werden etwas gefälliger, etwas mehr SUV, etwas weniger Hardcore-Offroad. Auch wenn sie es unter der Motorhaube und beim Design (Böschungwinkel!) weiterhin sind. Der völlig neue Mercedes G etwa, der unter anderem mit einer Einzelradaufhängung straßentauglicher wurde, behält die Starrachse hinten und den Leiterrahmen – einst ein Muss für einen Geländewagen.

Dabei führt der Großteil der Käufer den G maximal in die Beverly Hills aus, all die raffinierte Geländetechnik ist vergebene Liebesmüh von Mercedes, die nach Meinung mancher Experten gerade den besten Geländewagen der Welt gebaut haben. Aber bei einem G ist das Folklore, der Fahrer kauft nicht nur ein Auto, er kauft ein Lebensgefühl und möchte all diese Features haben, damit er könnte, falls er jemals wollte und sich traute.


SUVs können viel. Ähnlich ist es bei Land Rover, die mit dem Range Rover ein absolut geländetaugliches Nobel-SUV anbieten. Bei einem Preis ab 115.000 Euro wollen ihn die meisten Käufer wahrscheinlich nicht einmal dreckig machen, dabei hat er eine unerreichte Wattiefe von 90 Zentimetern (da steht sogar der alte Defender schon 40 Zentimeter unter Wasser), ein ausgeklügeltes Allradsystem und dank Luftfederung eine maximale Bodenfreiheit von 29,5 Zentimetern. Das Einzige, was einen Range Rover von einem echten Geländewagen unterscheidet, ist, dass er luxuriös komfortabel ist. Man muss schon leicht masochistische Züge haben, um beispielsweise mit einem Land Rover Defender längere Strecken zurückzulegen. Aus einem Range Rover dagegen will man gar nicht mehr aussteigen.

Und das ist einer der Gründe, warum die Geländewagen eine aussterbende Rasse sind. „Die SUVs können mehr, als man ihnen zutraut“, meint ÖAMTC-Fahrtechniker Ernest Loidl. Viele erfüllen sogar die Voraussetzungen, die Österreichs Offroad-Experte, Johannes Mautner Markhof, an einen Geländewagen hat: „Allrad, ein Untersetzungsgetriebe, gute Böschungswinkel, Differenzialsperre, große Bodenfreiheit, ein Unterbodenschutz.“

Stimmt schon, wenn man mit einem Audi Q7 oder einem Volvo XC90 die geteerten Wege verlässt, machen sie wahrscheinlich vor Schreck ein kleines Öllackerl. Aber es ist beeindruckend, was beispielsweise ein Jeep Grand Cherokee kann, der in die gleiche Kategorie fällt.

Die Geländegängigkeit dieser SUVs muss man sich freilich teuer erkaufen. Was aber ist mit den Förstern, die nicht den Wald besitzen, und den Jägern, die keine angestellten Treiber haben? Ihr inoffizieller Mobilitätsausstatter heißt Suzuki Jimny. Der Zwerg (Länge: 3,7 Meter) fängt in Österreich neu bei 16.000 Euro an, hat Allrad mit starrem Durchtrieb, kleine Überhänge und Untersetzung.

Der Suzuki Jimny.
Der Suzuki Jimny.(c) Werk

Im Gelände bietet er – genauso wie der kultstatusverdächtige Lada Taiga – vor allem einen enormen Vorteil: Er wiegt etwa die Hälfte seiner großen Brüder, denen er deshalb über Stock und Stein durchaus ebenbürtig ist. Der Preis dafür sind Schlichtheit und eine spartanische Ausstattung. Der Lada Taiga 4x4 hat nicht einmal eine Klimaanlage, dafür kann man eine Wildwanne und einen Gewehrhalter als Sonderausstattung bestellen (295 bzw. 345 Euro).

Der Land Rover Defender.
Der Land Rover Defender.(c) Werk

Dazwischen liegen der Defender und der Jeep Wrangler, der als Willys MB 1940 seine Geburt als Militärfahrzeug erlebte und der Vater aller Geländeautos ist (der erste Land Rover baute auf einem Jeep auf). Der neue Wrangler ist äußerlich weitgehend unverändert, innen hat man sich bemüht, den puristischen Zugang zu bewahren, den die Fans lieben. Es gelang nicht ganz. Beim Land Rover Defender dürfte der Schnitt noch größer sein, wenn er 2019 neu auf den Markt kommt.

Und eben der Pajero, bei dem Mitsubishi den Anschluss versäumt hat, und der Toyota Land Cruiser, die die Robustheit haben, die SUVs für gewöhnlich nur ausstrahlen. Sie kann man zwar auch auf der Straße fahren, mit 177 Diesel-PS bei 2,8-Liter Hubraum fühlt sich der Land Cruiser aber im Gelände am wohlsten. Toyota hat ihn im Laufe seiner Geschichte ein wenig verweichlicht und gesetzeskonform angepasst, in Südafrika aber wird er noch als J7 so gebaut, wie er 1984 vorgestellt wurde: Mit Starrachsen, Leiterrahmen, Blattfedern und ganz wenig Elektronik. Unkaputtbar.


Pick-up als Ersatz. Heute verwendet man dieses Adjektiv vor allem für den Hilux, den Pick-up von Toyota, der als erstes Auto den Nordpol erreicht hat (in der BBC-Autoshow „Top Gear“). Wie generell Pick-ups zunehmend die Funktion übernehmen, die die Geländeautos hatten. Hier halten die Blattfedern wieder Einzug, hier hat der Leiterrahmen noch seine Notwendigkeit, hier stört leicht abwaschbares Hartplastik in der Innenausstattung nicht.

Langsam nehmen die Pick-ups freilich jene Entwicklung hin zu komfortablen Allzweckautos, die die Geländewagen schon hinter sich haben. Sogar Mercedes bietet einen an (X-Klasse) mit 360-Grad-Kamera und verchromtem Unterfahrschutz.

Noch einmal zur Geländetauglichkeit: Bei einer Wüstenausfahrt in Namibia gruben sich links und rechts Toyota Hilux und Ford Ranger in den Sand, während ein Fahrer in einem gewöhnlichen Straßen-SUV an allen vorbeizog. Er hatte zwar keine Untersetzung und keine Offroad-Reifen, befolgte aber eine banale Weisheit: Im tiefen Sand darf man nie stehen bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2018)

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