Nachdem bekannt wurde, dass das größte deutsche Finanzinstitut 10.000 Stellen streichen will, steht Aufsichtsratschef Paul Achleitner noch mehr unter Druck. Bei der heutigen Hauptversammlung wird er sich vielen kritischen Fragen der Aktionäre stellen müssen.
Die Aktionäre haben schon die Messer gewetzt. Bei der Hauptversammlung der Deutschen Bank heute Donnerstag in Frankfurt dürfte es einmal mehr turbulent werden. Dabei geht es nicht nur um das schlechte Abschneiden des größten deutschen Finanzinstituts in den vergangenen drei Jahren. Am Mittwochabend ist bekannt geworden, dass der erst seit Anfang April amtierende neue Chef, Christian Sewing, plant, bis zu 10.000 der rund 97.100 Stellen zu streichen. Fast jeder zehnte Job bei dem größten deutschen Geldhaus dürfte dem Rotstift zum Opfer fallen - die meisten davon im schwächelnden Investmentbanking.
Heftige Kritik der bis zu 5000 Aktionäre, die zur Hauptversammlung erwartet werden, dürfte nicht nur der scheidende Bankchef John Cryan auf sich ziehen, sondern vor allem Aufsichtsratschef Paul Achleitner. Für viele der Anteilseigner trägt er eine Mitschuld an der Krise der Bank. Anfang April hat er sich in einer Hauruck-Aktion von Sewings glücklosem Vorgänger John Cryan getrennt.
Sewing hatte bereits vor einem Monat harte Einschnitte angekündigt und sich von den einstmals globalen Ambitionen des schon länger unter Druck stehenden Instituts verabschiedet. Mit Einzelheiten wird am Donnerstagmorgen vor Beginn der Hauptversammlung gerechnet.
Rotstift im USA-Geschäft
Fest steht: die Neuausrichtung der Bank geht mit einem personellen Kahlschlag einher. Hinzu kommt ein Teilrückzug aus dem Handel mit Aktien, in dem die Erträge zuletzt weggebrochen waren. Hier setzt Sewing vor allem in den USA den Rotstift an. Aber auch in Zentraleuropa, dem Nahen Osten und Asien soll das Geschäft zurückgefahren werden, auch in einstmals starken Märkten wie Russland und der Türkei.
Heute muss Sewing auf der Hauptversammlung Farbe bekennen. Bei dem Aktionärstreffen in den Frankfurter Festhalle wird eine Generalabrechnung mit der Bankführung erwartet. Zwei Insidern zufolge haben einige Großaktionäre bislang ihre Stimme zur Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat noch nicht abgegeben, weil sie abwarten wollten, wie die neue Strategie der Bank en detail aussehen soll. Mit diesem sehr ungewöhnlichen Verhalten bringen sie in letzter Minute die Bankführung unter Druck. Normalerweise geben große Anteilseigner einige Zeit vor der Hauptversammlung ihre Stimme ab. Die Deutsche Bank wollte auch dazu keine Stellung nehmen.
Auch einflussreiche Stimmrechtsberater wie Glass Lewis hatten Achleitner zuletzt scharf kritisiert und sich zum Teil gegen die Entlastung des Österreichers, der seit sechs Jahren an der Spitze des Kontrollgremiums steht, auf der Hauptversammlung ausgesprochen. Der Stimmrechtsberater ISS ist zwar für Achleitners Entlastung, jedoch nur mangels Alternativen. Der Aktionärsberater Hermes forderte den Aufsichtsrat am Dienstag auf, mit der Suche nach einem Nachfolger zu beginnen.
Investmentbanking wird beschnitten
Sewing will das Investmentbanking stark reduzieren, während das Privat- und Firmenkundengeschäft sowie die Vermögensverwaltung gestärkt werden sollen. Dennoch kommt es auch durch die Verschmelzung der Postbank und dem Filialgeschäft der Deutschen Bank zum Verlust von rund 6000 Stellen verteilt über die nächsten vier Jahre. Zusammen mit den Stellenstreichungen im Investmentbanking peilt Sewing eine Gesamtzahl von rund 85.000 Stellen an.
Die Deutsche Bank hatte im vergangenen Jahr das dritte Mal in Folge einen Verlust hinnehmen müssen. Auch im ersten Quartal war der Gewinn vor allem wegen des schwachen Handelsgeschäft um 80 Prozent eingebrochen, während die Konkurrenz an der Wall Street Milliarden verdient hatte. Die Bank hatte in den zurückliegenden gut 30 Jahren teilweise mit Erfolg versucht, im globalen Spiel der großen Investmenthäuser eine wichtige Rolle einzunehmen. Nach der Finanzkrise verlor sie aber den Anschluss an die großen US-Institute - nicht zuletzt, weil sie für Rechtsverstöße unter anderem ihrer Investmentbanker viele Milliarden an Strafen zahlen musste.
(Reuters)