Atropintropfen: Debatte um neue Therapie

Atropin wird aus der schwarzen Tollkirsche (Atropa belladonna) hergestellt.
Atropin wird aus der schwarzen Tollkirsche (Atropa belladonna) hergestellt.(c) imago/blickwinkel (imago stock&people)
  • Drucken

In der Behandlung von Myopie setzen manche Augenärzte auf Atropin, andere auf kluge Linsen.

Die Suche nach der effektivsten Methode zur Behandlung von Kurzsichtigkeit sorgt derzeit unter Österreichs Augenärzten für Kontroversen. Grob gesprochen stehen sich zwei Lager gegenüber, von denen das eine auf das aus der Tollkirsche hergestellte Atropin in hoher Verdünnung setzt, das andere auf eine Art intelligente Kontaktlinse. Beide wollen allerdings dasselbe: jene Therapie finden, die eine bereits aufgetretene Myopie möglichst nachhaltig und lang in Schach hält. „Man kann Kurzsichtigkeit nicht heilen, man kann sie nur verlangsamen“, sagt Augenarzt Peter Gorka.

Wie man das am besten erreicht, ist in Fachkreisen allerdings strittig. Das zeigte sich auch an der Debatte unter Augenärzten anlässlich einer Fortbildungsveranstaltung am Dienstag im Hotel Triest in Wien. Gorka zählt zu den Befürwortern von Atropin. Das aus der Schwarzen Tollkirsche (Atropa belladonna) gewonnene Extrakt wird schon lang in der Augenheilkunde eingesetzt. In einer Dosis von einem Prozent führen die Augentropfen zu starker Lichtempfindlichkeit. Seit aber Versuche eher zufällig ergaben, dass Atropin in einer Konzentration von 0,01 Prozent die Kurzsichtigkeit verlangsamt, ohne Beschwerden zu verursachen, gilt es wieder als Wirkstoff der Stunde. Laut Gorka hat das 0,01-Atropin ein gutes Sicherheitsprofil und wird weltweit eingesetzt. In ostasiatischen Städten würden 30 Prozent der Kinder mit Atropin eingetropft, in China gebe es bereits Fünfjahresstudien.

Die Angst vor dem Totenkopf

Viele Eltern zucken allerdings angesichts der Tatsache, dass ihren Kindern ein Fläschchen mit Totenkopf verschrieben wird, zurück. Einige Augenärzte kritisieren, dass es keine Langzeitstudien zu dem Thema gebe und sie sich unwohl fühlten, Atropin selbst in der geringen 0,01-Prozent-Dosis angesichts der fehlenden Datenlage bei Kindern anzuwenden.

Dieses Lager der Augenärzte setzt auf peripher defokussierende Kontaktlinsen. Diese korrigieren die Kurzsichtigkeit zwar im zentralen Bereich, belassen an der Peripherie jedoch eine leichte Fehlsichtigkeit. Damit soll dem Auge suggeriert werden, dass es bereits kurzsichtig genug ist, und somit das Längenwachstum reduziert werden.

Die zweite Form der Linsen sind die sogenannten Ortho-K-Linsen, die nur in der Nacht getragen werden und in dieser Zeit mechanisch die Hornhaut abflachen. Patienten mit geringer Kurzsichtigkeit brauchen dadurch am Tag keinen Sehbehelf. Dabei gibt es allerdings ein höheres Risiko von Hornhautinfektionen. Das Problem bei Linsen insgesamt ist jedoch, dass sie für Kinder erst ab einem gewissen Alter infrage kommen und voraussetzen, dass sich das Kind traut, ins eigene Auge zu greifen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.