Ein Abgesang auf die immer gleichen Tricks der FPÖ.
Trotz des vor einiger Zeit an dieser Stelle angekündigten Verzichts auf politische Vorhersagen, ist für den anlaufenden Kampf um die Bundespräsidentenwahl aufgrund der vorliegenden Fakten eines zu erwarten: International wird die Kandidatur der niederösterreichischen Landesrätin Barbara Rosenkranz (FPÖ) als weiterer Beweis dafür gesehen werden, dass sich in Österreich Neonazis sonder Zahl tummeln; dass das Land eine eindeutige Distanzierung von seiner Vergangenheit einfach nicht schafft.
Dem ist auf rein sachlicher Ebene nichts entgegenzusetzen. Denn wie will man erklären, dass sich diese Republik einen Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (mit freundlicher Genehmigung von SPÖ und ÖVP) leistet, der in seinem Amt hauptsächlich durch Ausreizen der Grenzen nach rechts provoziert? In anderen Ländern wäre er untragbar. In anderen Ländern ist zwar der äußerst rechte Rand auch mit Unbelehrbaren bevölkert, doch stieß niemand an die Staatsspitze vor. Das ist der Unterschied.
Die Gleichzeitigkeit von Graf und Rosenkranz als einzige Herausforderin des amtierenden Präsidenten (mit freundlicher Genehmigung von Schwarz und Grün) wird international wieder die Schmerzgrenze überschreiten. Schauderhaft wäre es, wenn es in Österreich als Reaktion darauf zu einem Waldheim-Effekt käme. Das schlechte Gewissen, das vielleicht im Land schlummert, weil es sich mit Figuren wie Graf und Rosenkranz überhaupt herumschlägt, würde wieder durch Wut auf die „Einmischung von außen“ kompensiert werden. Fehlte dann nur noch, dass die FPÖ plakatiert: „Wir wählen, wen wir wollen.“
Dagegen hilft nur allergrößte Vorsicht, nicht wieder in die Haider-Falle zu tappen: Das heißt, nicht wie Pawlows Hund wieder jeden Knochen an provokanter und/oder verwerflicher Aussage anzunehmen und – mit einem unbezahlbaren Millionen-Werbeeffekt – zu zerkauen. Denn erstens besorgt man so Rosenkranz' Propagandageschäft zu Diskontpreisen für die FPÖ; zweitens sorgt man für Reichweiten, die sie selbst nie erzielen könnte. Von Verschweigen ist da nicht die Rede, nur von Angemessenheit.
So ist es ein unerträglicher Gedanke, dass zum Beispiel der ORF wieder stundenlang offenkundige Provokationen wie „Abendland in Christenhand“ diskutieren lässt, worauf sich möglichst viele damit auseinandersetzen. Die Einsicht, dass man sich so – wie im EU-Wahlkampf – nur zum Handlanger macht und mit unangemessener Aufgeregtheit erst recht die internationalen Vorurteile bestätigt, wird sich hoffentlich überall, auch im Web, durchsetzen. Dass Erwin Pröll Rosenkranz mit ihren grenzwertigen Ansichten in seiner Landesregierung akzeptiert, ist seine Sache; dass sie den Präsidentenwahlkampf mit diesen nicht dominiert – unser aller. Also ist die einzig vernünftige Devise: Vergesst Rosenkranz!
Anneliese Rohrer ist Journalistin in Wien.
anneliese.rohrer@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2010)