Mitte November soll gemeinsam mit dem Vizepräsidenten der EU-Kommission Frans Timmermans eine neue Kompetenzverteilung zwischen Brüssel und Mitgliedstaaten definiert werden.
Wien. Es ist eines der schwierigsten EU-Themen, das bisher nicht gelöst werden konnte. Doch unter Österreichs EU-Vorsitz soll ein neuer Anlauf genommen werden: Die Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten soll neu definiert werden. Europaminister Gernot Blümel (ÖVP) hat gemeinsam mit Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) zu einer „Subsidiaritätskonferenz“ am 15. und 16. November nach Bregenz geladen.
„Gemeinsam erarbeiten wir, wie Subsidiarität als Bauprinzip für die Zukunft der EU wieder stärker verankert werden kann“, kündigt Blümel gegenüber der „Presse“ an. Der Europaminister will damit die Regierungslinie durchsetzen: Ein Europa, das nicht mehr in Detailfragen Vorgaben macht, sich aber um große Probleme wie den Außengrenzschutz kümmert. „Subsidiarität klingt vielleicht sperrig“, so Blümel, „ist aber genau das Gegenteil und bedeutet im Grunde genommen: groß im Großen und klein im Kleinen“.
Zwar gibt es EU-weit Sympathien für eine klare Abgrenzung von EU-Kompetenzen und die Rückverlagerung von Entscheidungen auf nationale und regionale Ebene. Im Lissabon-Vertrag ist dieses Ziel ausdrücklich festgehalten. Der Vertrag enthält auch die Möglichkeit für nationale Parlamente, Einspruch gegen neue EU-Kompetenz einzulegen. Doch ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, diese Zuständigkeiten klar zu definieren.
Mit ein Grund ist, dass auch von den Mitgliedstaaten Regelungsnotwendigkeiten auf EU-Ebene übertragen wurden, weil sie national nicht durchsetzbar waren. Andererseits hat die EU-Kommission von ihrem Initiativrecht mehrfach dort Gebraucht gemacht, wo dies auf Ebene der Mitgliedstaaten möglicherweise besser funktioniert hätte. Letztes Beispiel ist eine neue Trinkwasserrichtlinie, die es auch in Ländern mit verlässlicher Wasserqualität wie Österreich notwendig macht, die Kontrollen massiv auszuweiten und damit das Wasser zu verteuern.
In Bregenz soll das Thema gemeinsam mit dem Vizepräsidenten der EU-Kommission Frans Timmermans erörtert werden. Die aktuelle Kommission hat durchaus Willen gezeigt, die Gesetzesflut zu reduzieren. Noch nie wurden so wenige neue Regelungen entworfen wie in den vergangenen vier Jahren.
Aus der Opposition kommt Kritik an den Subsidiaritätsinitiativen der Regierung. ÖVP und FPÖ würden, wie zwei gemeinsam im Bundesrat beschlossene Subsidiaritätsrügen an Brüssel belegten, vor allem auf eine Blockade der Ausweitung des EU-weiten Konsumentenschutzes abzielen, heißt es aus der SPÖ.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2018)