Kroatien: Korruption und Kriegsrhetorik als dunkle Schatten

Luka Modrić
Luka Modrić APA/AFP/FRANCK FIFE
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Die Veruntreuung von Transfersummen und ein Strafverfahren haben die „Feurigen“ bei der WM erreicht; Modrić ist wegen Falschaussage angeklagt. Auch ein Ustascha-Lied, das viele Spieler gesungen haben, trübt die Freude.

Moskau. Immer leidenschaftlich, oft ästhetisch – aber sympathisch? Mit ihrem Fußball bei der WM in Russland begeisterte das kroatische Team die Fans beim Turnier in Russland. In der zweiten Heimat vieler Anhänge, vor allem in Wien, gab es Tumulte. Zwei Spieler tanzten mit „Ukraine“-Botschaften aus der politischen Linie. Und auch in Kroatien selbst herrschte Unruhe: Ein Korruptionsskandal in großem Stil und das Singen eines fragwürdigen Liedes warfen Schatten auf die „Feurigen“.

Die Identifikation mit den teilweise begeisternd spielenden Kroaten um Superstar Luka Modrić fiel deshalb nicht leicht. Ihm selbst fiel der Auftritt in Russland offenbar auch nicht leicht. Glanztaten folgten umgehend „Böcke“, auch ein leichtfertig vergebener Elfmeter schlug zu Buche.

Allerdings, der Mittelfeldstratege von Real Madrid wurde in diesem Bestechungsprozess auch vom Nebendarsteller zu einer Hauptfigur. Er ist wegen Falschaussage angeklagt. Modrić hat als Zeuge ausgesagt, 2008 mit dem damaligen Dinamo-Boss, Zdravko Mamić, die Teilung des Transfererlöses nach dem Wechsel von Zagreb zu Tottenham Hotspur vereinbart zu haben. Später zog er diese Darstellung aber zurück.

Mamić und sein Bruder Zoran wurden Anfang Juni verurteilt: Zdravko zu sechseinhalb Jahren Haft, Zoran zu vier Jahren und elf Monaten. Insgesamt sollen bei Spielertransfers 17 Millionen Euro verschwunden sein.

Rund um das kroatische Team war dieser Fall in Russland aber selten ein Thema. Ob Spieler, Funktionär oder TV-Experte: das Thema Mamić schien für alle Luft zu sein. Ein ausländischer Journalist hatte es vor dem ersten Spiel gewagt, Modrić zu fragen, ob die Wirren des Prozesses ihn beeinflussen. Worauf der sonst eher leise sprechende Kapitän laut und wütend würde. „Wie lang haben Sie darauf gewartet, diese Frage zu stellen?“, schimpfte er. „Das hier ist eine WM, nur darum geht es.“ Nach der WM wird der Fußballer aber Antworten geben – vor Gericht, unter Eid.

Ein zweifelhaftes Lied

Noch ein Umstand ließ Zweifel aufkommen, ob Kroatien ein würdiger Weltmeister wäre. Es geht um ein von Abwehrchef Dejan Lovren erstelltes Video von den Kabinenfeierlichkeiten nach dem 3:0-Sieg gegen Argentinien.

Dort sang nicht nur Lovren das Lied „Bojna Cavoglave“ der für die Verherrlichung des kroatisch-faschistischen Ustascha-Regimes aus dem Zweiten Weltkrieg berüchtigten Band Thompson. Es enthält die Textzeile „Za dom spremni“ – „Fürs Vaterland bereit“. Das ist der Wahlspruch und Gruß der Ustascha, eines 1929 gegründeten Geheimbundes, der sich zu einer faschistischen Bewegung entwickelt hat.

Einzelfall war das keiner. Nach der Qualifikation für die WM 2014 hatte Josip Simunić schon diesen Spruch per Mikrofon im Wechsel mit den Fans gerufen. Der Weltverband Fifa sperrte ihn für zehn Spiele, die komplette WM. 2015 bestrafte die Uefa den kroatischen Verband wegen rassistischer Fanausfälle mit 50.000Euro und einem Geisterspiel in der EM-Qualifikation. In dieser Partie sorgte ein auf dem Rasen eingebranntes Hakenkreuz für einen Skandal.

Mamić hat sich nach Bosnien abgesetzt. Da er doppelter Staatsbürger ist, kann der 58-Jährige sich dort auch so lang frei bewegen, bis das Urteil endgültig rechtskräftig ist. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2018)

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